Die Suche nach dem absoluten Licht
Die Fotografie Horst H. Baumanns passt in kein starres Schema. Das zeigt schon der Auftakt der Retrospektive seines Werks im Museum für Angewandte Kunst Köln (MAKK): Baumann versetzt sich in seiner frühen Fotografie in die Welt der Kinder — mit Schnappschüssen auf dem Kirmesplatz oder beim Spiel. Er befasst sich häufig mit Menschenmassen, gleichzeitig mit menschenleeren Stadträumen in einem bis zur Abstraktion getriebenen Spiel mit Licht und Schatten. Immer wieder überrascht sein Gespür für ungewöhnliche Perspektiven und Sujets. Zu der in den 1950er Jahren aufkommenden Strömung der »Subjektiven Fotografie« zählt Horst H. Baumanns Produktion nicht, dieser ging es um die künstlerische, nicht um die dokumentarische Qualität. Obwohl Baumann überwiegend als Fotojournalist im Print gesehen wurde, gehen viele seiner Fotografien über das rein Dokumentarische aber weit hinaus.
Die Berührungspunkte zur Fotokunst in der BRD sind beim 1934 in Aachen geborenen und 2019 verstorbenen Fotografen überall zu finden. Die Bildsprache geht stets über das Funktionelle hinaus. Baumanns fotografisches Werk im Spannungsfeld zwischen Arbeitswelt und Kultur, zwischen Alltäglichem und Sensationellem war nicht unbedingt idealistisch, nur bedingt auf Serie angelegt, eher pragmatisch und vielseitig, weil meist von der Auftragslage der Printwelt bestimmt. Dennoch entdeckt man Ähnlichkeiten zu den Serien August Sanders, die vor allen Dingen im Nachkriegsdeutschland rezipiert wurden, als auch zu Hilla und Bernd Becher, die die Serialität bis zur topologischen Methode trieben.
Die von Hans-Michael Koetzle kuratierte, erste Retrospektive des fotografischen Oeuvres Baumanns zeigt, dass der gut vernetzte Fotograf zur richtigen Zeit am richtigen Ort war. Seine Karriere nahm Fahrt auf, unter anderem durch die 1950 ins Leben gerufene Photokina — genauer durch den Sammler und langjährigen Photokina-Organisator L. Fritz Gruber.
So gehörte der 22 jährige Horst H. Baumann, der lange aus purem Vergnügen fotografierte, neben Michael Friedel, Roger Fritz, Thomas Höcker und Wilfried Kalle 1956 zu den Preisträgern »Jugend photographiert«. Mit gleich sechs Arbeiten war er in der dazugehörigen Gruppenausstellung auf der Photokina vertreten. Für das Feinprofil seiner beruflichen Orientierung sorgte sodann Willy Fleckhaus aus dem beruflichen Umkreis von L. Fritz Gruber, der als stets innovativer Gebrauchsgrafiker bei Magazinen eine zeitgemäße Live-Fotografie propagierte.
Im legendären Magazin für junge Erwachsene Twen, aber auch in der DGB-Jugendzeitschrift Aufwärts sowie dem Studentenblatt Aachener Prisma erschienen Baumanns Fotografien. Im Prisma sah man etwa die treffliche Aufnahme von der Brüsseler Weltausstellung 1958, die flanierende Besucher durch einen prismenartigen Gebäudeausschnitt des Ingenieurpavillons zeigte. Neben einer faszinierenden, fast schon abstrakten Schwarz-Weiß-Aufnahme aus der Arbeitswelt mit Fensterputzern an großen Glasfronten zeigt die Soloschau auch einige Starporträts von Jane Fonda, Ursula Andress oder gar Juliette Gréco in diversen Printformaten.
Baumann zählt zu den hiesigen Pionieren der Farbfotografie, und ihn reizte auch hier das fotografische Experiment aus. Was man im MAKK unter anderem in seinen Bildreportagen zum Autorennsport veranschaulicht sieht. Hier gelingt es ihm, unter anderem durch Belichtungstricks, ein vorbeischießendes Fahrzeug so ins Bild zu bannen, dass die Raserei geradezu spürbar wird.
Die internationale Akzeptanz von Fotografie als Kunst — und das sollte für Baumann bedeutsam werden — hatte sich 1972 in der von Harald Szeemann kuratierten documenta 5 in Kassel manifestiert. Fünf Jahre später ging die sechste Ausgabe der internationalen Großveranstaltung unter Regie von Manfred Schneckenburger als »mediendocumenta« in die Geschichte ein und wurde indirekt von Horst H. Baumann eröffnet: Auf seiner unermüdlichen Suche nach dem absoluten Licht realisierte er eine damals hochmoderne Laserinstallation. Das zum Thema »Visionär«!
»Apropos Visonär — Der Fotograf Horst H. Baumann«,
MAKK, An der Rechtschule 7,
bis 28.1.2024, Di–So 10–18 Uhr; geschlossen am 24.12., 25.12., 31.12. und 1.1.