Sag niemals Ja: »erstmal für immer« im Schauspiel Köln

Tausend Runden im ­Liebeskarussell

Das Oldschool Ensemble mit ­Gästen zeigt »erstmal für immer« am Schauspiel Köln

 

Hereinspaziert ins Liebeskarussell! Wer hat noch nicht? Wer will nochmal? Die Runde geht vorbei an der Marienstatue, den optischen Täuschungen, dem Flitterwochen-Pavillon mit Kunstpalmen und Lebkuchenherzen, dann durch eines der pinken Tore. Die, die sich weigern, wirft man sich über die Schulter und zwingt sie zum Glück — und dann noch eine Runde, und noch eine. Wie im echten Leben, mit all den seriellen Monogamie-Beziehungen, in denen sich jährlich mehr als 800.000 Menschen »forever, ­forever ever« das Ja-Wort geben, Tendenz steigend. Aber warum heiraten? Weil es das Herz so will? Oder die Familie? Für die Steuer? Fürs Bleiberecht?

Eine starke Premiere bringt das Oldschool Ensemble mit ­Gästen im Depot 2 auf die Bühne: ein energisches, auch lustiges Anti-Plädoyer, das einfach bestreitet, das diese Jahrhunderte alte Institution noch immer für viele so ­attraktiv sein soll. An der E-Orgel begleitet die Musikerin Annie Bloch, großartig wie immer, das Stück, mal sanft, mal donnernd, und Schauspieler Horst Sommerfeld (im kommenden Frühjahr wird er 90!) eröffnet vom Publikumsrang aus mit der Geschichte von den Kugelmenschen: Von Zeus in der Mitte durchgeschnitten, sind sie verzweifelt auf der Suche nach ihrer anderen Hälfte — und haben sie sich schließlich ­gefunden, verhungern sie kläglich im innigen Umschlungensein.

Regisseur David Vogel lässt die Schauspieler*innen Geschichten aus ihren eigenen Leben erzählen, er hat auch Menschen ­jenseits des Ensembles dazu geholt. Etwa die Familienrichterin Gabriele Bos, die schon viele Ehen hat scheitern sehen, inklusive ihre eigene, und einen roten Herzluftballon mit der Nadel sticht — einen zerplatzenden Traum. Heimlicher Star des Abends: der queere Pfarrer Tim Lahr, 31 Jahre alt, ebenfalls geschieden, der im Talar, darunter Netzteil und hohe Stiefel, »woke Botschaften im konservativen Gewand« verkündet: Er liest die Bibel »queer« und räumt mit der darin angeblich propagierten Zweigeschlechtlichkeit auf.

Es ist ein dichtes Stück, eines, in dem es um sogenannte »Gefallene Mädchen« geht, die verheiratet werden, um die uneheliche Schwangerschaft zu verheimlichen, um späte Coming-Outs, Sehnsüchte und Verliebtheiten — und die Freiheit, »endlich wieder diagonal« zu schlafen. Einer der schönsten Momente, wenn Angelika Polert diese, man kann es nicht anders sagen: Hymne schmettert. Als hätte sie tausend Ketten gesprengt.

Schauspiel Köln, Depot 2, 2./13./22./30.12, 20 Uhr