Letzte Chance
Das Otto-und-Langen-Quartier an der der Deutz-Mülheimer Straße, auf dem früher auch Klöckner-Humboldt Deutz (KHD) unter anderem die Zentrale hatte, sorgt seit vielen Jahren für Streit. Der Initiativkreis Otto-Langen-Quartier, ein Arbeitskreis des Vereins Rheinische Industriekultur, der mit gut einem Dutzend Initiativen zusammenarbeitet, möchte das Gelände schon lange zum ersten Beispiel einer neuen »gemeinwohlorientierten Stadtentwicklung« in Köln gestalten: günstige Wohnungen, Kreativwirtschaft, kleine Handwerksbetriebe, Bildungsangebote, nicht-kommerzielle Kultur. Doch Politik und Verwaltung sind zögerlich oder wehren die Idee hinter den Kulissen ab. Dabei fehlt es nicht an Willensbekundungen, ein »Modellprojekt des 21. Jahrhunderts« zu schaffen. Der Stadtrat beschloss sogar schon eine Resolution und fasste mehrere Ratsbeschlüsse dazu — bislang folgenlos. Jetzt aber steht eine Entscheidung an: Geht das Gelände an einen Großinvestor — oder läuft es diesmal anders?
2021 hatte die Stadt per Vorkaufsrecht die ehemalige KHD-Hauptverwaltung vom früheren Eigentümer Gottfried Eggerbauer gekauft, der schon einen Kaufvertrag mit Großinvestor Christoph Kahl geschlossen hatte. Doch seitdem liegt das Gelände brach und verfällt. Denn für das Gemeinwohl-Quartier ist noch ein weit größerer Teil des Gebiets nötig. Der aber gehört NRW Urban, der Entwicklungsgesellschaft des Landes. Die möchte zwar verkaufen — aber an den Höchstbietenden. So wollte es die damalige CDU/FDP-Landesregierung. Auch die Kölner CDU und ihr Parteifreund, Planungsdezernent Markus Greitemann, unterstützen dies offenbar. Greitemann traf damals mit NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach, ebenfalls CDU, die Vereinbarung dazu.
Im Juni 2021 legte Greitemann dem Stadtentwicklungsausschuss dann eine Mitteilung vor: »Ein direkter Erwerb der Flächen durch die Stadt Köln ist nach Prüfung des Landes NRW aufgrund von vergabe-, beihilfe- und haushaltsrechtlichen Gründen nicht möglich.«
Die Politik muss jetzt entscheiden: Will sie eine gemeinwohlorientierte Stadtentwicklung oder lässt sie einen privaten Großinvestor gewähren?Jörg Frank, IK Otto-Langen-Quartier
Jörg Frank, Sprecher des Initiativkreises und vormals fast zwanzig Jahre Fraktionsgeschäftsführer der Grünen im Stadtrat, sagt: »Der Dezernent war dazu nicht von der Kölner Politik beauftragt, es war ein Alleingang.« Frank kritisiert aber auch, dass 2021 niemand im Ausschuss Greitemann entgegengetreten sei. Umso mehr sei es jetzt an der Zeit, dass die Politik endlich Farbe bekenne. Die Chancen müssten genutzt werden. Nach dem Regierungswechsel in NRW sei es auf Initiative der Grünen im Landtag möglich, dass Städten und Gemeinden ein Direktkauf von Landesgrundstücken ermöglicht werde — wenn sie das Grundstück für geförderten Wohnungsbau oder andere kommunale Zwecke nutzen. »Und das ist im Fall des Otto-Langen-Quartiers nun machbar«, so Jörg Frank. »Die Politik muss jetzt entscheiden — will sie eine gemeinwohlorientierte Stadtentwicklung oder lässt sie einen privaten Großinvestor gewähren?«
Eigentlich sollte schon im Stadtentwicklungsausschuss Ende November über den Verkauf des Landesgrundstücks in einem Bieterverfahren zum Höchstgebot entschieden werden. Doch auf Initiative der Grünen in der Bezirksvertretung Mülheim, die bereits zuvor über das städtebauliche Konzept entscheiden sollte, wurde die Entscheidung darüber vertagt — auf die nun kommende Sitzung am 1. Februar.
Dann könnte doch noch der Kurswechsel vollzogen werden. Aber dafür müsste der Ausschuss die Stadtverwaltung anweisen, die 2021 getroffene Vereinbarung mit dem Land über das Bieterverfahren an den Höchstbietenden zu stoppen — und stattdessen ein konkretes städtebauliches Planungs- und Nutzungskonzept für jene Gemeinwohlorientierung vorlegen, für das sich der Rat in der Resolution ausgesprochen hatte.
»Die Stadt hat die Planungshoheit und somit noch alle Fäden in der Hand hat«, sagt Jörg Frank. »Entscheidend ist aber die Politik — und hier maßgeblich die Grünen als stärkste Fraktion.«
Deren Fraktionschefin Christiane Martin sagt: »Es freut uns sehr, dass durch eine Gesetzesänderung der Direktkauf von Grundstücken erleichtert wurde.« Allerdings müsse erst noch geprüft werden, »ob das neue Gesetz auch auf das Otto-und-Langen-Grundstück anwendbar ist«, so Martin weiter. »So oder so wollen wir Grünen, dass die Nutzungen in einem zukünftigen Otto-und-Langen-Quartier gemeinwohlorientiert sind.«