Außer-Haus-Service
Im Zeitalter von Netflix und Co. wird die Entscheidung, wie man einen Film konsumiert, fast zum politischen Statement – dominanten Streamern stehen strauchelnde Filmtheater gegenüber. Doch die Arthouse-Plattform Mubi versucht den Brückenschlag: Sie führt ihre Mitglieder mit »Mubi Go« zurück in die Kinosäle.
Das Prinzip ist schnell erklärt: Gegen einen kleinen Aufpreis zum regulären Abonnement dürfen Nutzer*innen zusätzlich zum Onlineangebot jede Woche einen ausgewählten Film im Kino anschauen. Eine App liefert alle Informationen und den Barcode zum Erwerb der Tickets, diese werden nach Verfügbarkeit vergeben. Mit dem neuen Service konnten Abonnent*innen in Köln bereits Wim Wenders’ »Perfect Days« oder »Priscilla« von Sofia Coppola auf der großen Leinwand sehen.
Mubi erklärt die Geschäftsidee: »Wir glauben fest an das Kino als Erlebnis. Filme sollten auf einer großen Leinwand gesehen werden«, so CEO Efe Cakarel. Spätestens seit der Pandemie wächst sein Unternehmen rasant. Eine solche Entwicklung verdient Aufmerksamkeit und auch eine Portion Argwohn, passiert sie doch nicht selten zu Lasten von Festivals und Kinobetreiber*innen — wie etwa im Fall von Netflix und seinen aggressiven Distributionsstrategien. Cakarel teilt den Traum der Netflix-Bosse vom großen eigenen Studio. Doch ist dieser auf lange Sicht mit einer lebendigen Kinokultur vereinbar?
Jedes erfolgreiche Unternehmen hat seinen Gründungsmythos. Mubi begann mit einer Suchanfrage und viel Frustration. MIT-Absolvent Cakarel habe sich »In the Mood for Love« ansehen wollen – und im Netz vergeblich nach seinem Lieblingsfilm gesucht. Aus Liebe zum Kino, so der Unternehmer, schuf er sich also die digitale Cinemathek, die ihm fehlte. In der Tat füllte Mubi rasch eine Leerstelle: Hier konnten Cinephile nischiges Kino anschauen — Filme, die im Blockbuster-Einheitsbrei sonst nicht zu finden waren.
»Filme sollten auf einer großen Leinwand gesehen werden« Efe Cakarel, Mubi
Mubis Filmauswahl wuchs stetig und mit ihr die Zahl der Geschäftsfelder. Inzwischen veröffentlicht man nicht nur das Arthouse-Magazin »Notebook« und einen eigenen Podcast, sondern ist auch in der Produktion und im Verleih von Filmen tätig. Als Koproduktionsfirma zeichnet Mubi für »Memory« von Michel Franco oder »An einem schönen Morgen« von Mia Hansen-Løve verantwortlich. Erfolgreiche Festivaltitel wie »Aftersun« von Charlotte Wells oder Ira Sachs’ »Passages« zählen zum Repertoire des Weltvertriebs. 2022 übernahm Mubi die in Köln ansässige The Match Factory, einen der wichtigsten Weltvertriebe der Branche.
Der unternehmerische Schritt, Filme am Markt einzukaufen, um sie nicht nur auf der eigenen Plattform zu veröffentlichen, sondern auch international in die Kinos zu bringen, ist für einen Streamer ungewöhnlich — ebenso wie Mubis Bereitschaft, mit Verleihern offen die Zusammenarbeit zu suchen. Den kooperativen Geist illustriert etwa die Sales-Strategie zu »Frau im Nebel«: Für Park Chan-wooks Film lieferten sich Mubi-Executives mit der Konkurrenz ein Bietergefecht und gewannen. Dann brachte man den Cannes-Hit in den USA und UK selbst in die Kinos — in beiden Territorien Mubis bis dato erfolgreichster Release —, während man ihn anderswo an lokale Verleiher übergab.
Und nun also ein neuer Service, der Filme »leichter zugänglich« (Cakarel) machen soll. Seit Dezember gibt es Mubi Go auch in Köln. Bislang sind OFF Broadway, Weisshaus-Kino, Odeon, Lichtspiele Kalk, Cinenova, Filmhaus Kino und Filmpalette an der Kooperation beteiligt und erhalten die Tickets, die sie gegen Barcodes vergeben, in voller Höhe von Mubi rückerstattet. Laut Joachim Kühn, einem der Betreiber der Filmpalette, läuft der Service bislang gut. Mubi Go ist aus seiner Sicht nicht nur eine neue PR-Aktion, »zumal Mubi ja auch an gut laufenden Kinos und Besucherzahlen interessiert ist«.
Das lässt auf ein Kino der Zukunft hoffen — auf eine Filmerfahrung, die sowohl digital als auch physisch stattfindet. In Mexiko baut das Unternehmen eigenen Angaben zufolge bereits an einer eigenen Spielstätte, die ausschließlich für Mubi-Releases gedacht sein soll. Bis der erste Mubi-Filmpalast hierzulande seine Pforten öffnet, können sich Cinephile mit Mubi Go in Erinnerung rufen, wo Filme am besten aufgehoben sind.
Weitere Informationen auf mubi.com