»Man spürt die Krisenmüdigkeit«
Frau Witt, zuletzt haben viele Unverpackt-Läden geschlossen, die Branche steckte in einer Krise. Wie laufen die Geschäfte derzeit?
Wir hatten seit Beginn der Corona-Pandemie starke Umsatz-Rückgänge. Mittlerweile ist die Lage stabil, die Umsätze werden sogar wieder mehr. Für uns ist das Geschäft wieder tragfähig, nachdem wir lange auf Rücklagen vertrauen und Kosten senken mussten. Wenn man auf die komplette Branche schaut: Viele Läden haben zugemacht, und es schließen immer noch welche.
Was sind die Gründe?
Die Folgen von Pandemie, Energiekrise und Inflation haben den Einzelhandel erreicht. Bei der Unverpackt-Branche spielen aber auch weitere Punkte mit rein. Man kann das vergleichen mit den Anfängen der Bio-Läden in den 80er Jahren. Erst kamen viele Läden auf, irgendwann zeichnete sich ab, wer sich dauerhaft halten kann. Das ist eine natürliche Entwicklung, die die Krise beschleunigt hat. Hinzu kommt, dass vor Corona Unverpackt-Läden Hochkonjunktur hatten. In der Zeit haben viele Läden eröffnet oder sich vergrößert. Das war rückblickend fatal.
Und Kunden halten sich beim Einkaufen zurück.
Wir haben gespürt, dass es ein gesellschaftliches Narrativ gab, man solle sein Geld besser zusammenhalten. Das hat sich mittlerweile gelegt. Viele unserer Kunden wissen, wie man an anderer Stelle Geld sparen kann, wenn man Zero Waste als Gesamtkonzept versteht. Die reduzieren ihren Konsum oder verwenden weniger Einwegprodukte.
Umwelt- und Klimakrise sind auch in der Politik in den Hintergrund gerückt. Merken Sie das an der Ladentheke?
Man spürt diese Krisenmüdigkeit schon, und sie betrifft vermutlich auch Leute, die zuletzt nicht mehr in Unverpackt-Läden gekommen sind. Die sind jetzt vielleicht hedonistischer unterwegs.
Köln galt lange als Deutschlands Unverpackt-Hauptstadt. Noch immer?
Zwei Läden haben geschlossen. Das Geschäft in Mülheim war eine risikoreiche Gründung, der Standort war schwierig. In Ehrenfeld war es ein kompliziertes Mietvertragsverhältnis. Aber auch in diesen Fällen war eine schlechte Konjunktur ein Beschleuniger. Wir haben unseren zweiten Tante-Olga-Laden abgegeben, der wurde übernommen und ist nicht unwirtschaftlich. Köln steht nach wie vor gut da. Wir zählen weiterhin zu den Städten mit den meisten Unverpackt-Läden in Deutschland.
Politik und Stadtverwaltung wollen Köln zur »Zero Waste City« machen. Wie ist das Ziel, als Stadt Müll zu reduzieren, mit den Unverpackt-Läden vor Ort verzahnt?
Leider mangelhaft. Wir haben uns in dieser Krise an die Stadt Köln gewandt: Wenn nichts passiert, seid ihr bald eine Zero-Waste-Stadt ohne Unverpackt-Läden. Unser Anliegen wurde diskutiert, wir haben davon aber nie wieder gehört. Wenn Köln Zero-Waste-Stadt sein will, sollte man Unverpackt-Läden unterstützen — wenn auch nur werblich, indem die Stadt auf Unverpackt-Läden und deren Bedeutung aufmerksam macht. Man muss das Thema Müll und Müllvermeidung stärker in der Stadtgesellschaft verankern.
Viele Menschen haben Hemmungen, in einem Unverpackt-Laden einzukaufen.
Das erleben wir auch. Viele glauben, sie müssten perfekt sein, bevor sie überhaupt so einen Laden betreten. Aber darin treffen sich ja nicht nur Menschen, die schon keinen Müll mehr haben. Alle Läden freuen sich über Kunden, die noch nie etwas von dem Thema gehört haben. Ein anderes Vorurteil sind die vermeintlich hohen Preise. Die meisten Unverpackt-Läden verkaufen Bio-Produkte, die aus gutem Grund teurer sind als konventionelle. Leider sind viele Unverpackt-Läden nicht bio-zertifiziert und können damit nicht werben. Das ist ein Versäumnis. Viele Betreiber achten zudem auf Regionalität oder fairen Handel. Wir verkaufen im Laden nicht die billigste Nuss, aber wir haben einen guten Preis für die Nuss, die wir anbieten. Zur Wahrheit gehört aber auch: Für das Geld, was Lebensmittel beim Discounter kosten, kann man sie nicht nachhaltig und fair herstellen.
Olga Witt gilt als Pionierin der Unverpackt-Bewegung. Sie betreibt den Unverpackt-Laden »Tante Olga« (Berrenrather Str. 406, 50937 Köln) in Sülz und war lange Inhaberin eines zweiten Geschäfts in Nippes.