Schlechte Wirtschaftslage
Das mahnende Beispiel liegt gleich nebenan: 2015 wurde ein Haus am Kartäuserwall 14 in der Südstadt entmietet, besetzt, geräumt und abgerissen. Mittlerweile ist es zum Spekulationsobjekt geworden — und zu einem bekannten Fall für Verdrängung in Köln. Eine Haustür weiter sollen sich die Geschehnisse nicht wiederholen. Das Haus am Kartäuserwall 12, in dem sich zwölf Wohnungen und die Kneipe »Lotta« befinden, steht derzeit zum Verkauf. Den Mietern droht der Rauswurf, der Kneipe, deren Mietvertrag noch vier Jahre läuft, das Aus. Doch im Umfeld der Lotta hat sich Ende 2023 der Verein Aufbruch Südstadt gegründet. Er möchte das Haus erwerben. Man plane eine »soziale Übernahme«, um bezahlbaren Wohnraum und kulturelle Angebote zu erhalten.
Die erste Hürde hat der Verein kurz vor Karneval übersprungen und gegenüber der Eigentümerin ein Kaufangebot abgegeben. Nicht nur die Höhe des Betrags sei herausfordernd gewesen, sondern auch, ihn in wenigen Wochen aufzutreiben, sagt Marie Euskirchen aus dem Vereinsvorstand. »Wir haben schnell Support bekommen — auch finanziell in einem Umfang, mit dem wir nicht gerechnet hatten.« Viele Menschen hätten Privatkredite oder Spenden in Aussicht gestellt. »Damit hatten wir überhaupt erst eine Basis, auf der wir verhandlungsfähig waren.«
Nun laufen Verhandlungen mit der Eigentümerin. Es gibt weitere Interessenten im Bieterverfahren. Zudem klafften das Angebot und der Wunsch der Besitzerin auseinander, berichtet Euskirchen. »Wir hatten gehofft, dass unser sozialer Anspruch ein Grund sein könne, vielleicht weniger Geld in die Hand nehmen zu müssen.« Dennoch betont die Vereinsvorsitzende den fairen Umgang mit der Eigentümerin, deren Familie seit mehr als 20 Jahren einen Mietvertrag mit der Lotta habe. »Wenn es keine Aussicht gäbe, hätten wir schon aufgegeben.«
Gleichzeitig sucht der Verein Aufbruch Südstadt bereits nach Möglichkeiten einer nachhaltigen Finanzierung. Mit der Kölner Wohnungsgenossenschaft WOGE prüft man das Modell einer Solidar-Genossenschaft. »Man hätte nicht das Recht auf eine Wohnung im Haus, unterstützt aber das Vorhaben und hat als finanzielle Sicherheit Anteile, die man wieder verkaufen kann«, so Euskirchen. Auch sei ein sozialer Träger, der sich eine Zusammenarbeit vorstellen könne, auf den Verein zugekommen. Für eine Sanierung des Gebäudes, die sich an den Kauf anschließen würde, sei dem Verein ebenfalls bereits Hilfe angeboten worden.
Keine Unterstützung erwartet Aufbruch Südstadt hingegen von der sogenannten sozialen Erhaltungssatzung, die der Rat der Stadt 2019 für das Severinsviertel beschlossen hat. Zwar sieht diese »Milieuschutz« vor, und dass »Rückbau, Änderung oder Nutzungsänderung baulicher Anlagen« vereinbar mit dem Gemeinwohl sein muss. Für den Milieuschutz hat sich der Beschluss aber nicht bewährt. »Das Haus mit zwölf kleinen Wohnungen mit jeweils rund 20 Quadratmetern ist für viele Investoren zwar unattraktiv. Aber die Strafen schrecken bei den Summen, um die es geht, niemanden ab«, sagt Euskirchen. Der Verein möchte den Wohnraum in jetziger Form belassen.
Es gehe jedoch um mehr als die Lotta und deren Mitbewohner. Marie Euskirchen von Aufbruch Südstadt nennt das Haus »unser erstes Projekt« und mit der Entmietung eines Hauses an der Karl-Korn-Straße gleich ein weiteres Beispiel in der Südstadt. »Wir wollen diesen Missstand, der über das Haus der Lotta hinausreicht, thematisieren und ihm etwas entgegensetzen.«