Exit through the ... U-Bahn? Installationsansicht aus der Kölner Banksy-Ausstellung, © Dominik Gruss

Der letzte Kunst-Superstar?

Eine Kölner Ausstellung über den britischen Künstler Banksy wirft Fragen auf

Ist von Banksy die Rede, lässt sich ein eigenartiges Phänomen beobachten: Die Meinung der ­Kritiker*innen-Gemeinschaft unterscheidet sich grundlegend von jener des Publikums. Während Banksy also von einem überwiegendem Teil der professionellen Kritik ignoriert oder gar mit Naserümpfen bedacht wird, bleibt die breite Masse davon unbeeindruckt. Weiterhin erfreut sich das Werk äußerster Beliebtheit — samt Auktionserlösen weit in die hohen Millionenbeträge hinein. Und auch abseits des Markts ist die ­Faszination ungebrochen, wie eine aktuelle Ausstellung in Köln zu transportieren versucht. Dafür baute man in einem alten Autohaus einen Parkour auf, der achronologisch durch das breit aufgestellte Werk des Enigmas Banksy — bis heute kann der Mensch hinter dem Alias seine Anonymität ­wahren — führt. Hier schaut man — üppig nachgebaut — auf seine großangelegten, bestenfalls als ­israelkritisch zu bezeichnenden Aktionen an der Mauer zwischen Israel und den palästinensischen Gebieten; dort widmet man sich den unzähligen kleineren und größeren Graffitis, von denen viele längst Ikonenstatus besitzen. Dabei wird klar: Banksy wäre ohne das Internet nie möglich gewesen. Wie kaum ein anderer hat er gerade in den Anfangstagen die Möglichkeit des Foto-Bloggens genutzt, um seine Reichweite und Bekanntheit zu vergrößern; es waren die frühen 2000er, Pics wurden per Email oder Instant Messenger (ICQ, MSN,...) herumgeschickt. Solche Graffitis, wie jenes des Hausmädchens, das Dreck unter einer Mauer versteckte, oder das eines Aktivisten, der Blumen statt eines Molotow-Cocktails wirft, wurden erst tausend-, dann millio­nenfach geteilt. Der selten sonder­lich hintersinnige Humor, der aber stets als Kritik an der Gesellschaft oder »denen da oben« ­verstanden wurde, nahm damals ­vorweg, was heute als Memes von jung wie alt geshared und ­verbreitet wird. Vor allen Dingen sein »Girl with Balloon«, das er ab 2002 sprühte, war und ist ein überall beliebtes Motiv. Das Mädchen mit dem Ballon läutete gleichwohl eine weitere Ära des Schaffens ein: Nutzte Banksy schon vorher Stencils (aus Papier oder Pappe gefertigte Schablonen, die den Sprühvorgang erheblich beschleunigen), wurde die Verbreitung des neuen und immer wieder reproduzierten Motivs selbst zur Sensation. An etlichen Wänden tauchte das Mädchen auf, und das auf der ganzen Welt. Schätzungen zufolge wurden mehr als fünfzig Exemplare gesprüht. Ganz sicher ist das nicht, denn Farbe ist vergänglich, und auch Banksys Schaffen wurde ­gerade in den Anfangstagen vor allem als Vandalismus wahrgenommen und getilgt. Kein Pro­blem, denn die Anonymität ermöglicht es dem Engländer, bis heute immer weiter zu sprühen, und ist darüber hinaus — da sind sich Kritiker*innen und Fans ausnahmsweise einig — zusammen mit seiner geradlinigen Komik,  die geradezu prädestiniert für das Internet und seine Distributionskanäle ist, Grundstein seines ­Erfolgs. In der Zwischenzeit ist er damit zum vermutlich letzten Kunst-Superstar gereift. Seit Andy Warhol, Basquiat und Keith Haring konnte kein anderer Kunstschaffender eine solche ubiquitäre ­Verbreitung seiner Bilder erreichen, niemand sich vergleichbar gravierend in das globale kulturelle Gedächtnis einschreiben.

Banksys Motto: Copyright is for losers
© TM

Bei einem Gang durch die ­Kölner Ausstellung »The Mystery of Banksy — A Genius Mind« erkennt man schnell, wie viele der Motive geläufig sind; entdeckt gleichermaßen auch unbekannte Bilder aus den Anfangstagen oder Aktionen, die vor allem im UK ­rezipiert wurden: Etwa der aufwändig gestaltete (Anti-)Frei­zeitpark »Dismaland«, der 2015 das Vereinigte Königreich zum ­Lachen, aber auch Nachdenken brachte. Im englischen Somerset wurde eine Albtraum-Version  der bekannten Disney-Parks aufgebaut. Über mehrere Wochen konnten Interessierte und Abenteuerlustige diese spitzzüngige ­Parodie auf den Filmkonzern und seinen profit-wahnsinnigen Stil ­besuchen.

Es sind solche Highlights, die diese Schau sehenswert machen; die Umstände bleiben dennoch ­eigenartig. Exklusivität sucht man vergebens. Neben Köln dürfen auch Hannover, Stockholm und seit kurzem Oslo stolz mit der Ausstellung werben, bereits 2021 konnte man sie unter anderem in Heidelberg, Berlin und München sehen. Die Liste der Städte wird lang und länger. Da verwunderte die uneingeschränkte Euphorie einer Vertreterin des Stadtmarketings bei der Eröffnung; als sei hier ein großer Coup gelungen. Zumal, wer hier Originale erwartet, geht enttäuscht nach Hause. Replik reiht sich an Replik — in Köln von einem dreiköpfigen Team über ­einen Zeitraum von mehreren ­Wochen produziert. Die Kuratorin Virginia Jean und die Cofo Entertainment GmbH reden gar nicht lange um den heißen Brei herum; schnell geben sie preis, dass es sich bei den Exponaten ausschließlich um Repliken handelt. Bei der Vielzahl an bereits übertünchten Werken, an abgerissenen und verkauften Wallpieces und wegen der horrenden Preise, die Banksys Kunstwerke heute
bei Auktionen erzielen, sei dies, so die Kuratorin, die einzige realistische Möglichkeit, überhaupt noch eine Ausstellung zu Banksy auf die Beine zu stellen. Ob das Bristoler Gespenst davon überhaupt weiß, steht in den Sternen, denn Banksy hat vergleichsweise wenig mit »seiner« Ausstellung zu tun: »Ganz nach Banksys Motto ’Copyright is for losers ©TM’ sind diese Hommage und die dort gezeigten Werke aufgrund seines anonymen Status nicht vom Künstler autorisiert«, heißt es dazu auf der Homepage. Misst man den Künstler an seinen Worten, dann ist der Ansatz des Teams nachvollziehbar — und Lieblosigkeit kann man den Macher*innen ganz bestimmt nicht vorwerfen: Oftmals bis ins kleinste Detail sind die Graffitis nachgearbeitet, seltsame Skulpturen repliziert, Wände besprüht, sogar der Wagen einer Londoner Underground-Bahn nachgebaut. Das macht etwas her. Apropos: Dass neben der Ausstellung, die nicht gerade günstig ist, ein ebenso wenig von Banksy autorisierter Geschenkeshop auf die Besucher*­innen (und ihr Geld) wartet, ­hinterlässt bei aller Copyright-­kritischen Haltung dann doch ­einen bitteren Nachgeschmack.

Es bleibt die Frage: Nutzt man hier das Schlupfloch Urheberrecht, bloß um Geld zu scheffeln?


The Mystery of Banksy — A Genius Mind, Oskar-Jäger-Str. 99, verlängert bis 26.5.; Di/Mi/So 10–18 Uhr, Do/Fr/Sa 10–20 Uhr