Gehirnschmalz gefragt: Otto-und-Langen-Quartier in Mülheim

Land stoppt Stadt

Das Gerangel um das Otto-und-Langen-Quartier hat eine neue Wendung genommen

Eigentlich sollte das Otto-und-Langen-Quartier in Mülheim ein Beispiel für gemeinwohlorientierte Stadtentwicklung im großen Stil werden (siehe auch Seite 12) — mit günstigen Wohnungen, kleinen Handwerks- und Kreativbetrieben, soziokulturellen und Bildungsangeboten. Es gab sogar eine Resolution im Stadtrat dazu. 2021 nutzte die Stadt ihr Vorkaufsrecht und erwarb die ehemalige KHD-Hauptverwaltung. Seitdem liegt der Gebäuderiegel an der Deutz-Mülheimer-Straße brach. Der ­größere Teil gehört der landeseigenen Gesellschaft NRW Urban.

Eben dieses Areal möchte die Stadt Köln, um alles zusammen zu entwickeln, seit drei Jahren kaufen — aber zu günstigeren Konditionen im sogenannten ­Direkterwerb, damit die Gemeinwohlorientierung auch finanzierbar ist. Doch die Landesregierung will möglichst teuer an einen ­Investor verkaufen.

Das Gelände zu entwickeln, wäre indes auch aufwändig: der Denkmalschutz, kontaminierte Böden, die Nähe zum Hafen — und eine überlastete Verwaltung. Die Euphorie für das Projekt hält sich beim Kölner Baudezernenten Markus Greitemann im Rahmen.

Nun durchkreuzt NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU) die  Pläne womöglich endgültig. Am 5. März teilte die Ministe­rin der Stadt mit, ein Direkterwerb sei bei den derzeitigen Kölner Plänen nicht zulässig. Laut Scharrenbach muss das Grundstück »insgesamt (das heißt zu 100%)« für eine kommunale Nutzung und öffentlich geförderten Wohnraum verwendet werden.

Dabei hatte gerade eine Änderung im Haushaltsgesetz des Landes, den Initiativen, die sich hier seit Jahren für die Idee einsetzen, Hoffnung gegeben: Auf Antrag der Grünen im Landtag wurde das Haushaltsgesetz so geändert, dass Direktverkäufe vom Land an Kom­munen oder kommunale Gesellschaften ohne Ausschreibung mög­lich sind — unter der Bedingung, dass das Grundstück für ­geförderten Wohnungsbau oder für kommunale Zwecke genutzt wird — um diesen »kommunalen Zweck« geht es nun.

Nach Ansicht von Jörg Frank, Sprecher des Initiativkreises Otto-Langen-Quartier, der mit mehr als einem Dutzend Initiativen zusammenarbeitet, ist eben dieser Zweck gegeben. Als kommunaler Zweck sind sogenannte Selbstverwal­tungs­aufgaben definiert: zum ­einen jene, zu denen die Kommune verpflichtet ist — etwa Bau und Unterhalt von Schulbau oder die Abwasserbeseitigung —, zum anderen freiwillige wie kulturelle und soziale Angebote, aber auch Grünanlagen. In der Verwaltungsvorschrift zum neuen Passus im NRW-Haushaltsgesetz heißt es zwar, die Kommune müsse bei ­einem Direkt­erwerb den kommunalen Zweck dort selbst erfüllen, doch könne sie »im Einzelfall« das auch durch »eine spätere Vermietung/Verpachtung oder Veräußerung an Dritte« tun, solange diese nicht rein gewerblich und gewinnorientiert wirtschaften und die Kommune Grundstückeigentümerin bleibt. Für den Initiativkreis ist da­her klar, dass Teile des Otto-und-Langen-Quartiers im Rahmen des Erbbaurechts auch an Genossenschaften, an soziale oder ­kulturelle Träger oder im Sinne kommunaler Wirtschaftsförderung auch etwa an Handwerksbetriebe vergeben werden können — denn die Stadt Köln bliebe mittels ­Erbbaurecht Grundstückseigentümerin.

Die Euphorie für das Projekt hält sich beim Kölner Baudezernenten im Rahmen

Die Politik zeigt sich vom Schreiben der Ministerin irritiert, zumal auch auf ein Gesprächsangebot nicht eingegangen wird. »Ein Direkterwerb ist aus unse­rer Sicht immer noch möglich — eben aufgrund der geänderten Gesetzeslage«, sagt Christiane Martin, Fraktionschefin der Grünen. »Die Diskussion ist für uns nicht zu Ende, auch wenn Frau Scharrenbach, die den Direktverkauf offensichtlich überhaupt nicht will, das so schreibt.« Martin wünscht sich auch Unterstützung von Baudezernent Markus Greitemann. »Nach unserem Verständnis müsste der Empfänger des Schreibens, also Herr Greitemann, antworten: ­Danke, aber wir sehen das anders.«

Niklas Kienitz, CDU-Fraktionsgeschäftsführer, sieht zwei Möglichkeiten. Zum einen, sich noch bis zur Sitzung des Stadtentwicklungsausschusses Anfang Mai auf ein Vorgehen gegenüber dem Land zu verständigen. Zum anderen, das kommunale Vorkaufsrecht zu nutzen, wenn tatsächlich ein Investor das Areal kaufen will. Allerdings verweist er auch auf die ­angespannte Haushaltslage der Stadt, und wenn die Stadt das ­Vorkaufsrecht nutzt, muss sie den Preis zahlen, den auch der Investor gezahlt hätte. »Ich würde aber nicht vom Ziel einer anderen ­Entwicklung auf dem Gelände ­abweichen«, sagt Kienitz.

Auf die sehr allgemeinen ­Aussagen des Landes solle man nun möglichst konkret reagieren, fordert Michael Weisenstein von der Linken. »Am besten mit einem detaillierten Bebauungsplan, der die Verwendungszwecke deutlich macht. Da müssen Politik und ­Verwaltung jetzt ordentlich Gehirnschmalz investieren, damit wir das Grundstück noch direkt erwerben können.«