In den Fängen der Sichtschutz-Industrie

Blickdichter Blickfang

Sichtschutz im Garten ist ein heikles Thema

Es ist schön, wenn man nette Nachbarn hat. Aber so charmant sie auch sein mögen: Man möchte doch lieber nicht, dass sie das eigene Treiben im Garten zu jeder Zeit mitverfolgen können — ob man nun stundenlang aufs Handy schaut, statt sich mit voller Aufmerksamkeit den Kindern zu widmen, oder sich schon mittags einen Aperol gönnt. Das wiederum freut die deutsche Sichtschutz-Industrie, die mit ­ihren vielfältigen, potthässlichen Zaun-­»Lösungen« ganze Etagen in Baumärkten zu füllen imstande ist.

Statt zur »Betonzaun-Platte Fels« oder zum »Sichtschutzzaun-Element Kassel« zu greifen, kann man aber auch ins Gartencenter gehen, denn Deutschland ist ein Hecken-Land mit langer Tradition und hat neben Zäunen auch allerlei Einhegungen pflanzlichen Ursprungs zu bieten.

Die potthässlichen »Lösungen« der Sichtschutz-Industrie füllen ganze Etagen im Baumarkt

Der Klassiker ist sicherlich die Thuja-Hecke, doch in letzter Zeit hat ihr der Kirschlorbeer fast den Rang abgelaufen: eine immergrüne und pflegeleichte Pflanze aus der Familie der Rosengewächse, die mit ihren dicken, ­glänzenden Blättern gut vor Blicken der ­Nachbarn schützt. Doch der Kirschlorbeer ist in Verruf gekommen: Er sei ökologisch wertlos, heißt es, außerdem giftig und bedränge mit seinem ­raschen Wuchs andere, heimische Pflanzen. Der Kirschlorbeer gilt als invasive Pflanze, er ist ein sogenannter Neophyt aus Kleinasien. Unter Naturschützern ist er schon lange ­verhasst, in der Schweiz wird er jetzt sogar ­ver­boten.

Wer nach dem 1. September noch Kirschlorbeer verkauft, importiert oder verschenkt, wird bestraft. Es tobt ein Kulturkampf in den helvetischen Gärten: Die einen wollen die heimische Flora vor »gebietsfremden« Pflanzen beschützen, die anderen verteidigen mit freundlicher Unterstützung von Baumschulen und Gartencentern die Freiheit der Pflanzen und fragen, warum man überhaupt zwischen einheimischen und fremden Arten unterscheide. Auch die Kölner Kleingarten­ordnung hat den Kirschlorbeer inzwischen verbannt. Als wir kurz nach der Übernahme unse­res Schrebergartens einen wuchernden Kirschlorbeer fällten, ahnten wir von der poli­tischen Dimen­sion unseres Tuns noch nichts, er nahm bloß zu viel Licht weg. Kaum war die Problempflanze entfernt, konnte sich der Blick weiten, auch auf die Laube unserer sympathischen Nachbarn, wie uns dann auffiel. Doch die Aussicht währte nicht lange. Kurze Zeit später war ein Sichtschutz montiert, ich meine, es könnte der »Weidengeflechtzaun Fuego« sein.