Voll süß!
Ich habe mir früher nie viel aus Ostern gemacht. Seit ich in der Fastenzeit regelmäßig auf Zucker verzichte, ist das anders. Meine Verzichtsregeln sind simpel: keine Süßigkeiten, keine Limonaden, und keine Ausnahmen — jedenfalls nicht viele. Diese Art des Zuckerverzichts hat für mich vor allem ein psychologisches Motiv. Unbedachter Konsum von Schokolade, Keksen oder Limonade gehört im restlichen Jahr zu meinem Alltag. Ich will mir aber zeigen, dass ich auch ohne kann, zumindest 40 Tage lang.
Ich will Zucker nicht grundsätzlich entsagen und erst recht nicht Süße als Aroma verschmähen. Doch gerade Industriezucker, ein isoliertes Kohlenhydrat ohne Nährstoffe, bietet weder Sättigung noch Genuss. Er taugt nicht einmal als nachhaltiger Energielieferant für müde Momente. Vielmehr steht Industriezucker in Süßwaren und Softdrinks für die Art und Weise, wie man ihn zu sich nimmt: unbedacht, unmotiviert, nebenbei.
Das Bedürfnis nach Zucker in bestimmten Situationen ist überhaupt erst durch die Produkte entstanden, die ihn in sich haben. Wie stark dieses Bedürfnis ist, weiß jeder, der einmal versucht hat, von heute auf morgen
auf Süßkram wie Kekse, Schokoriegel oder Cola zu verzichten. Es fühlt sich in den ersten Tagen an wie ein Entzug.
Dass es gesundheitliche Folgen hat, wenn man regelmäßig die von der Weltgesundheitsorganisation empfohlene Marke von 25 Gramm Industriezucker pro Tag reißt, ist unbenommen. Dass es vielfältige Alternativen gibt — von Datteln über Honig bis hin zu frischem Obst — ist bekannt. Doch auch kulinarisch ist die alltägliche Überzuckerung ein Problem: Wer sich erst an plumpe, enthemmte Süße gewöhnt hat, dem wird der Zugang zu wirklich interessanten süßen Aromen schwerer fallen. Das haben ambitionierte Süßspeisen und Patisserie nicht verdient — nicht mal ein Stück Bienenstich.