Omen
Purpurfarbene Nebelschwaden, quietschbunte Hänsel-und-Gretel-Fantasien, Opernarien, eine mit Antibiotika handelnde Straßenkindergang, die als queere Performancegruppe durchgehen könnte: »Omen«, das Spielfilmdebüt des in Lubumbashi geborenen belgisch-kongolesischen Rappers und Filmemachers Baloji, unterläuft die Konventionen der filmisch viel bearbeiteten Rückkehrer-Erzählung. Versatzstücke aus afrikanischer Folklore und Mardi Gras mischen sich mit den Oberflächeneffekten des Pop zu einem eklektischen Gesellschaftspanorama. Realismus und Traum sind darin ebenso wenig Oppositionspaare wie Tradition und Moderne.
Koffi hat versucht, alles richtig zu machen: Er hat sich den Afro rasiert, gewissenhaft Swahili gelernt und, wie es die Tradition verlangt, die Aussteuer für die Familie zusammengespart. Doch als er nach 18 Jahren mit seiner schwangeren weißen Lebensgefährtin Alice aus Belgien in seinen Geburtsort in der Demokratischen Republik Kongo zurückkehrt, wird er nicht nur von der eigenen Mutter mit Argwohn und frostiger Kälte empfangen. Koffi, durch ein »Zabolo« (Zeichen des Teufels) auf der Wange seit der Geburt geächtet, gilt als Zauberer. Als er auf den psychischen Stress mit Nasenbluten reagiert — es tropft ausgerechnet auf das Neugeborene seiner Cousine —, sieht sich die Familie in ihrem Aberglauben bestätigt und ein wahrer Albtraum beginnt. Allein in seiner jüngeren Schwester Tshala, die kurz vor der Übersiedelung nach Südafrika steht, findet Koffi eine solidarische Verbündete.
Baloji, der in »Omen« auf seine eigene Biografie zurückgreift — wie Koffi zog er mit seinem Vater als Kind nach Belgien, während seine Mutter zurückblieb —, überspannt den Begriff Autofiktion ins Phantasmagorische. Denn hinter seiner mal überspannten, mal ernsthaften, zwischen dynamischen und ruhigen Tempi wechselnden Erzählung, steht kein Filmemacher, der einer essentialistischen Idee von Identität anhängt und sich auf die Suche nach seinen »wahren« Ursprüngen begibt. Vielmehr versucht er seiner eigenen diasporischen Erfahrung eine (überzeichnete) Form zu geben. Gefühle von Entwurzelung und kritischer Distanz gegenüber der Herkunftskultur zeigen sich in farbenprächtigen Bildern, die sich auch nicht vor den Projektionen greller Exotik scheuen. Eine Absage auch an fixe Kategorien und die Reinheit der Form.
(Augure) B/NL/CGO 2023, R: Baloji, D: Marc Zinga, Lucie Debay, Eliane Umuhire, 95 Min. Start: 4.4.