Sexuelles Erwachen in der Menopause: Eka Chavleishvili © ALVA FILM / TAKES FILM

Amsel im Brombeer­strauch

Elene Naveriani erzählt vom Begehren einer Frau

Die alleinlebende Etero ist ganz versessen auf Brombeeren. Als sie beim Pflücken einmal verzückt einer Amsel nachschaut, stürzt sie einen Abhang hinunter. Später erzählt sie den Frauen im Dorf von den körperlichen Sensationen, die die Begegnung mit dem schönen Tier bei ihr ausgelöst hätten — Herzrasen, stockender Atem —, und erntet dafür schräge Blicke. Ja, die Menopause. Dabei hat Etero, nicht zuletzt unter dem Eindruck der Todesnähe, noch am selben Tag ihre 48-jährige Jungfräulichkeit verloren.

Wie schon in »Wet Sands« erforscht die in der Schweiz lebende georgische Filmemacherin Elene Naveriani in »Amsel im Brombeerstrauch« alternative Formen des Begehrens und Daseins vor dem Hintergrund einer traditionellen patriarchalen Ordnung. Etero, Besitzerin eines verödeten Haushaltswarengeschäfts, hat sich bewusst für ein Leben in Unabhängigkeit entschieden. Ihre unkonventionelle Lebensform aber macht sie im Dorf zur Außen­seiterin, von den Nachbarinnen wird sie abwechselnd bemitleidet und heruntergeputzt. Tatsächlich ist Etero, die eine eigentümlich schroffe, selbstgenügsame Form der Sinnlichkeit ausstrahlt, für sie eine Provokation. Während die Frauen ihren »Dienst« schon geleistet haben, scheint ihr Leben gerade erst anzufangen. Bücher lesen will sie, ihr Englisch verbessern, ein kleines Haus mit Sicht auf den Fluss bauen, eine Kamera kaufen und Fotos von den Schönheiten der Natur machen.

Die georgische Schriftstellerin Tamta Melashvili, auf deren Roman der Film basiert, hat Gender Studies studiert, eine ihrer ersten Veröffentlichungen galt weiblicher Migration als Form des Empowerments. Auch »Amsel im Brombeer­strauch« ist feministisch grundiert, Naveriani vermeidet es jedoch, die späte sexuelle Initiation ihrer Protagonistin in den Dienst einer simplen Selbstermächtigungsgeschichte zu stellen. Vielmehr stellt sie ihre Unabhängigkeit und Lust in einen so offenen wie vieldeutigen Raum. Etwa, wenn sie ihren runden Körper interessiert, aber nie aufdringlich in Szene setzt. Eteros Begehren ist komplex, es umfasst verschiedene Formen des sensuellen Erlebens und gilt fremden Körpern ebenso wie dem eigenen. Dass dieser eine Überraschung bereithält, von der sie nicht im Entferntesten geträumt hat, sorgt für eine Pointe, aber auch hier bleibt der Film uneindeutig und lakonisch.

(Blackbird Blackbird Blackberry) GE/CH 2023, R: Elene Naveriani, D: Eka Chavleishvili, Temiko Chin­chinadze, Pikria Nikabadze, 115 Min.