Cotten ermittelt

Die Lyrikerin Ann Cotten übernimmt in diesem Jahr die TransLit-Poetikdozentur der Universität zu Köln

Transdisziplinär, transhumanistisch, transsexuell, transliterarisch — was verbindet die Bedeutung dieser Wörter? »Quer durch, hinüber, jenseits«, schreibt der Duden, dafür stehe die Vorsilbe trans-. Und: »Trans- — Vorsilbe der Unterwindung« nennt die ­Lyrikerin und Übersetzerin Ann Cotten ihre Poetikvorlesung zum Auftakt der diesjährigen »TransLit« an der Universität zu Köln. Bis Mitte Juni ist Cotten die achte Besetzung dieser Poetikdozentur, die ihren Fokus sowohl auf die Transformation von Literatur legt als auch auf den Austausch zwischen Disziplinen. So hat Cotten den Musiker, Produzenten und DJ Eric D. Clark, den ­Philosophen Toshiaki Kobayashi und den Kunstwissenschaftler Zairong Xiang als Gesprächspartner eingeladen. Oder müsste es »Gesprächspartnernnnie« heißen? Denn Ann Cotten nutzt in ihren Texten das »polnische Gendering«, demnach alle zum Gendern notwendigen Buchstaben in beliebiger Reihenfolge ans Wortende gehören. »Mit dieser Maßnahme sollte deutlich sein, dass es bei allen Arten von Gendering nicht um Korrektur, sondern um das Aufzeigen von Missständen geht«, heißt es im Vorwort ihres letzten Buchs.

Ann Cotten zog mit fünf Jahren mit ihrer Familie von Iowa nach Wien. Dort studierte sie nach der Matura Deutsche Philologie, also die Erforschung von Texten im weitesten Sinn. Sie ist Expertin für den Wiener Kreis und Fan von vernünftigem Sprechen. Ihr transdisziplinäres Interesse umfasst also neben der Lyrik mindestens die Philosophie, ­Geistes- und Medienwissenschaften. Seit 2021 promoviert sie an der Freien Universität Berlin zu »einer empirischen Ästhetik, die auch für Maschinen funktioniert« und beschäftigt sich mit KI-­generierten Gedichten. Zuletzt veröffentlichte Cotten 2023 »Die Anleitungen der Vorfahren«, ein lyrischer Reise- und Gedankenbericht über ihr Recherche-Semester in Hawaii. Es ist ein Buch über das Erbe des Kolonialismus und dem damit einhergehenden Verlust. »Die Willkür und Subjektivität alter Männer / nutzt Vorteile automatisch / wie ein selbstgesteuerter Gabelstapler, / auf dem jemand sitzt und labert«, heißt es da zum Beispiel. Deutliche Worte einer Autorin, der immer wieder vorgeworfen wurde, sich in ihrer Unverständlichkeit zu gefallen. Oder wie Dietmar Dath es nennt: »Cottenesk«.

Ann Cotten: »Die Anleitungen der ­Vorfahren«, Suhrkamp Verlag, 160 Seiten, 18 Euro