Der Schritt vom Hellen ins Dunkle: Porträt Emilio Ratajczaks als junger DJ

Gute Sachen werden übersehen

Digitalität und DJ-Kultur: Emilio Ratajczak im Gespräch

Clubkultur gäbe es ohne DJs nicht, insofern ist die Reflexion zur DJ-Kultur und ihrer Entwicklung ­fester Bestandteil des Clublands. Also hatten wir  fünf DJs aus NRW zwischen 21 und 46 Jahren zum Round Table eingeladen, zwei davon haben analog, drei digtal gelernt, und legen digital, analog und hybrid auf. Doch dann sorgen Grippe, der Stress der Freiberuflichkeit und Workload im Homeoffice dafür, dass nur Emilio Ratajczak und Clubland-Redakteurin Sonia Güttler übrig blieben. Zu ­besprechen gab es trotzdem genug. Den Rest der Gang stellen wir beim nächs­ten Themenfokus ­DJ-Kultur vor.

Emilio Ratajczak ist Jahrgang 2003 und legt seit zwei Jahren ­unter dem DJ-Alias bb89 auf. Für ihn standen schon Gigs im Cube Düsseldorf und in der Mauke Wuppertal auf dem Programm. Die »erst zwei Jahre« relativieren sich schnell, Emilio kommt aus ­einer Musikerfamilie, hat Geige gelernt, Schlagzeug im Orchester gespielt und sich im Rap probiert, bevor er Techno und DJing für sich gefunden hat. »Ich habe mich schon ­früher mit elektronischer Musik beschäftigt und halte sie für sehr zeitlos — ich möchte Teil dieser Zeitlosigkeit sein und den Leuten zeigen, was ich unter Techno ­verstehe und was er für mich ­bedeutet.« Los geht’s.

Du hast digital gelernt, nicht auf Plattenspielern: Wie hat sich dir das DJing erschlossen?

Emilio Ratajczak: Ein Kollege hatte eine kleine Konsole und hat mich irgendwann gefragt, ob ich nicht auch mal will. Das war der Einstieg, aber die vielen Stunden alleine danach, die waren learning by doing. Wobei sich mir viel erschließt, wenn ich anderen beim Zocken zuschaue, in HÖR Videos beispiels­weise sieht man ziemlich genau (hoer.live), was die da machen. ­Videos anschauen und auspro­bieren: das war die ersten Monate mein Workflow.

Kommst du aus einem DJ-Umfeld?

Schon, aber eher Hobby-DJs. Durch die vielen, gemeinsam verbrachten Nächte in Clubs hab ich immer mehr Leute kennengelernt, die ähnlich leidenschaftlich sind oder auf einen ganz ähnlichen Sound stehen, so kommen immer mehr Verbindungen und immer mehr Musik zusammen. So ist das bei mir gewachsen. Dabei hilft ­Digitalität, aber sie hat auch für Voreingenommenheit gesorgt. Jüngere DJs haben es schwer, da bleiben manchmal die falschen auf der Strecke.

Ich möchte Teil dieser Zeitlosigkeit sein und den Leuten zeigen, was ich unter Techno verstehe und was er für mich bedeutet
Emilio Ratajczak

Wie meinst du das?

Durch die ­digitale Entwicklung können viel mehr Leute mit dem Auflegen anfangen. So sind viele dabei, die auf eine Art auflegen oder eine Auswahl an Musik spielen, die nicht besonders langlebig ist. Die auf den Zug aufspringen, ohne sich wirklich auf die Materie einzulassen oder sich damit zu beschäftigen, woher die Musik kommt. Von diesen Leuten hast du viele, und ich würde noch nicht einmal sagen, dass das schlimm ist. Aber dadurch werden auch gute junge DJs schnell mit in denselben Topf geschmissen.

Das erste, was ich von DJs mit­bekommen sollte, sind doch Mixe. Wenn die sich musikalisch abheben, können die DJs doch kaum im falschen Topf landen?

Daran ist, glaube ich, ein anderes Ding der Digitalisierung schuld: Social Media und die Menge von Content, durch die wir uns da durchscrollen. Gute Sachen werden übersehen. Ich hab mich schon dabei erwischt, zu denken: Ach, noch so einer.

Darum die Erst-Hören-dann-Gucken-Regel, damit ich mich nicht blenden oder abschrecken lasse. Bei Profilen fällt auf, wenn Werdegänge auf zu hohem Niveau losgehen, das wirkt so unglaubwürdig.

Was online abgeht, ist manchmal echt too much, man hat das Gefühl, dass da einiges aus dem Ruder läuft. Was eigentlich schade ist, weil online auch Gutes entsteht. Ich werde von Leuten angeschrieben, die meine Mixe gefunden haben und cool fanden — und da macht Social Media ja genau das, wofür es gedacht ist. Früher oder später geht es in der Technoszene aber immer um Realness, dann fällt sowas auf. Ich glaube daran, dass die Leute sich finden, die sich finden sollen, weil die am Ende peilen, wenn mehr dahinter steckt.