Floskelkampf an der Uni
Gastprofessuren sind so etwas wie die Bonuszahlungen des Uni-Betriebs. Meistens erhalten sie die, die sie nicht unbedingt nötig haben, und den universitären Normalbetrieb aus Lehre, Prüfungen und Forschung bringen sie kaum weiter. Das gilt auch für die Albertus-Magnus-Professur an der Uni Köln, die aus zwei öffentlichen Vorträgen und einem Seminar besteht.
Mitte Mai hätte dort die US-amerikanische Philosophin Nancy Fraser ihre Thesen zum fehlenden Zusammenhang sozialer Kämpfe im frühen 21. Jahrhundert vorstellen sollen — so wie sie es schon 2022 in Berlin und Frankfurt getan hat und wie sie es im Mai in Mailand wieder tun wird. Anfang April sagte die Uni Köln ihre Vorlesung jedoch ab. Grund war ein Offener Brief, den Fraser im November unterschrieben hat. Der Brief fordert ein Recht auf Rückkehr für alle Palästinenser:innen, was de facto das Ende eines souveränen Staates Israel zur Folge haben dürfte. Zudem fordern die Unterzeichnenden einen kulturellen und akademischen Boykott israelischer Institutionen — mit denen auch die Uni Köln zusammenarbeitet.
Über den Brief wurde bei seiner Veröffentlichung viel diskutiert. Die Philosophin Seyla Benhabib warf den Unterzeichnenden zu Recht Geschichtsvergessenheit und eine Verharmlosung der antisemitischen Hamas vor. Von der Uni Köln kam dagegen mehrere Monate kein Statement dazu, stattdessen dann die Absage. Hätte man nicht früher in den Dialog treten können? Schließlich sollte Fraser nicht über den Nahen Osten sprechen. Für sie selbst war die Reaktion eine Steilvorlage. In Interviews stellte sie sich als Opfer dar, beklagte eine Einschränkung akademischer Freiheit. Dass sie selbst einen Boykott akademischer Institutionen gefordert hatte, war da nicht mal mehr ein Nebenwiderspruch. Was eine Debatte über die Grenzen und Mittel akademischen Engagements in der Politik hätte werden können, wurde zum Austausch abgedroschener Floskeln.
Dass im Nahen Osten die Lage in der Zwischenzeit eskaliert ist, passt da nur zu gut ins Bild. Vielleicht haben Gastprofessuren in Köln und Offene Briefe gegen Israel ja doch etwas gemeinsam: Ihr Einfluss auf das Große Ganze ist nur ein imaginärer.