Lädt ein, genauer hinzugucken: Günter Bell am Alter Markt

»Invasion der hinter­listigen Bänke«

Linken-Politiker Günter Bell über die Kampagne seiner Partei gegen »defensive Architektur«

Herr Bell, warum spricht sich Ihre Fraktion gegen eine »Architektur der Verachtung« aus?

Wenn man mit offenen Augen durch die Stadt geht, sieht man überall defensive Architektur, die bestimmten ­Menschen auf subtile Weise ­signalisiert: Ihr seid hier nicht erwünscht! Deswegen finden wir es richtig, Köln an seinem Selbstverständnis als offene, tolerante Stadt zu packen und zu sagen: Seid wirklich tolerant! Ermöglicht den Gruppen, die am Rand der Gesellschaft sind, dass sie auch sichtbar sind!

Wer soll ferngehalten werden?

Alle, die nicht ins Muster passen: Obdachlose, Drogenabhängige, auch Jugendliche oder Skate­board­fahrer. Gruppen, die auf den ­öffentlichen Raum besonders angewiesen sind. Wir haben eine Internetseite erstellt, wo man Fotos hochladen kann. Wir hoffen, dass man durch die Beispiele sensibilisiert wird, genauer hinzugucken.

Welche Beispiele gibt es?

An der U-Bahnhaltestelle Neumarkt sind vier Sitze so angeordnet, dass jeder in eine andere Richtung zeigt. Man redet nicht miteinander, guckt in entgegengesetzte Richtun­gen, sitzt unbequem, liegen kann man schon gar nicht. Am Alter Markt gibt es Bänke mit Lehne in der Mitte. Das ist eine  Bank, die freundlich daher kommt. Erst auf den zweiten Blick zeigt sie ihr wahres Gesicht: Wenn man nämlich das Bedürfnis hat, sich hinzulegen. Oder am Auenweg in Deutz: Dort gibt es eine Zufahrt zu den Parkdecks der Messe, unter der Obdachlose lagerten. Die sind jetzt weg, stattdessen liegen da Steinblöcke. Nur mit Vorwissen erkennt man die Absicht.Niemand gibt gerne zu, Menschen vertreiben zu wollen. Es scheint eine Invasion ­dieser hinterlistigen Bänke zu geben: Die Kölner »Standardbank«, ein anthra­zitfarbenes Metall-Modell, kennt nur die Armlehnen außen. Jetzt sehe ich überall die neuen Bänke mit Mittel-Lehne! Wir werden erfragen, warum plötzlich überall diese Bank auftaucht und ob das absichtlich passiert oder nur gedankenlos ist.

Ja, warum denn?

Man unterscheidet zwischen guten und schlechten Nutzern der Stadt. Das ist, gerade mit Blick auf die AfD, brandgefährlich! Diejenigen, die man nicht sehen will, werden aus der öffentlichen Wahrnehmung verdrängt. Wir sehen die gesellschaftlichen Probleme nicht mehr, sie sind aber nicht weg. Die Antwort muss Hilfe und nicht Verdrängen heißen. Wir wollen das Thema auch im Rat platzieren, die Politik hat es nicht auf dem Schirm.

Städte sollen barrierefrei sein. Hier aber werden bewusst Barrieren gebaut.

Ich war lange Zeit Behindertenbeauftragter und kann sagen: Inklusion und Exklusion laufen parallel. Die behinderten Menschen haben einen Bonus, die haben alle lieb. Außer im Bereich der schulischen Inklusion, da hört die Liebe auf. Obdachlose und Drogenabhängige haben den Bonus nicht. Deswegen kann die Stadt gleichzeitig sagen: Wir machen unsere Stadt barrierefrei, stellen öffentliche Toiletten und Trinkwasserbrunnen auf, und im gleichen Moment machen wir den Obdachlosen das Leben noch schwerer.

Was wollen Sie besser machen?

Unser großes Ziel heißt Housing First, also Obdachlose direkt in Wohnungen zu vermitteln. Auf dem Weg dahin wollen wir würdige Notschlafstellen und mehr soziale Räume ohne Konsumzwang. Und für die Leute, die diese Angebote nicht annehmen, fordern wir Toleranz. Wir müssen der Verrohung der Gesellschaft entgegen treten. Und das kann man am Beispiel dieser banalen Bänke im Kleinen aufzeigen.

Auf ausgrenzende-architektur-koeln.de können Fotos hochgeladen werden
Buchvorstellung: Mickäel Labbé: »Platz nehmen. Gegen eine Architektur der Verachtung«, 6. Mai, 19 Uhr, Rathaus, Spanischer Bau, Sitzungssaal B27