»Klarer Fall einer rassistischen oder queerfeindlichen Tat«: Tatort Café Wahlen

Faustschlag bei Kaffee und Kuchen

Nach einem Angriff im Café Wahlen ermittelt die ­Abteilung für politische Straftaten

Keith Bernard Stonum, künstlerischer Co-Leiter der Jungen Oper in Stuttgart, wurde am 8. März im Café Wahlen am Hohenstaufenring unvermittelt durch ­einen Boxschlag im Gesicht getroffen. Willi Harz, einer der Zeugen, sagt: »Das war ein klarer Fall einer rassistischen oder queerfeindlichen Tat.« Doch die Polizei nahm den Täter nach dem Angriff nicht in Gewahrsam. Es habe sich kein rassistisches oder homophobes Motiv erhärten lassen, so die Polizei auf Nachfrage der Stadtrevue. Stonum und weitere Zeug*innen, die mit ihm im Café am Tisch saßen, sind schockiert.

Ein Statement von Keith Bernard Stonum zu den Ereignissen deckt sich mit den Aussagen des Zeugen ­Willi Harz. Stonum und seine Freund*innen, eine Gruppe von insgesamt 16 Personen, überwiegend queere Pärchen, hatten einen Tisch im Café Wahlen reserviert, um den Geburtstag eines Freundes zu feiern. Ihnen sei eine Tafel im hinteren Teil des Cafés zugewiesen worden, am Nebentisch habe bereits der Mann gesessen, der Stonum später angreifen sollte. Zeuge Harz berichtet, der Mann habe Runen auf dem Pullover getragen und sei insgesamt als jemand zu identifizieren gewesen, »der in eine rechte Szene passt«. Hinzu kam, dass der Mann am ­Nebentisch sich sichtlich unwohl gefühlt habe mit der internationalen Gruppe queerer Menschen, die Englisch sprachen. Er habe sich »immer wieder gereckt, geschnauft und wütend gemurmelt«, sagt Harz.

Schnell sei eine »merkwürdige Stimmung« entstanden. Spätestens jedoch, als sich der Täter schwarze Lederhandschuhe anzog, sei ein Einschüchterungsversuch offensichtlich geworden, so Harz. Stonum habe schließlich eine Kellnerin darüber informiert, dass die Gruppe sich durch das Auftreten des Mannes bedroht fühle. Kurz darauf habe sie dem Täter mitgeteilt, er müsse sich umsetzen, da sie den Tisch für einen Sektempfang brauche. Der Täter sei wenig später aufgestanden und habe Stonum unvermittelt ins Gesicht geboxt. Stonum sei ohnmächtig geworden, er wurde im Anschluss ins Krankenhaus gefahren. Der ­Täter hingegen, sagt Harz, sei seelenruhig gegangen und habe sich vor dem Café eine Zigarette angesteckt, während er auf das Eintreffen der Polizei wartete. »Sein Auftritt wirkte kalkuliert«, so Harz.

Umso größer war der Schock der Geburtstagsgäste, als die Polizei sie informierte, dass sie den Täter gehen lassen müsse. Der ­Täter, der zuvor laut Stonums ­Bericht vom Café-Personal als »der Verrückte« bezeichnet wurde, sei vom Krankenwagen vor Ort als »mental gesund« eingeschätzt worden, so die Polizei. Daher habe es keine Grundlage gegeben, ihn in Gewahrsam zu nehmen.

Mit Eintreffen der Polizei habe der Täter einen Platzverweis erhal­ten, dem er bisher nachgekommen sei, erklärt der Inhaber des Café Wahlen. Um herauszufinden, ob es sich um Hasskriminalität gehan­delt habe, hätte es mehr Hinweise gebraucht, so die Polizei. Dafür sei der Angriff auf eine Person, die einer diskriminierten Minorität ange­höre, nicht ausreichend. Auf Harz’ Hinweis der Polizei gegenüber, dass es sich um eine rassistische Tat handle, habe die Polizei er­widert: »Das ist Ihre politische Einschätzung«. Als Stonum sich nach Rechtsextremismus auf den Straßen von Köln erkundigte, habe eine Polizistin laut Stonums Bericht erwidert: »Das ist kein wirk­liches Problem, wir sind ja nicht in Ostdeutschland.«

Dennoch untersucht inzwischen die Abteilung für politische Straftaten der Staatsanwaltschaft Köln den Fall, um sicherzugehen, dass es sich nicht doch um eine Tat handelt, die einen rassistischen, menschenverachtenden Hintergrund hat. Die Strafe könnte dann höher ausfallen.