Kein Bock auf Marsdorf
Anfang April erreichte das Büro von Oberbürgermeisterin Henriette Reker eine E-Mail. Darin informierte Philipp Türoff, Geschäftsführer des 1. FC Köln, die Stadtspitze, dass der Sportverein seine Infrastruktur am bisherigen Standort im Äußeren Grüngürtel erweitern wolle. »Die Heimat des 1. FC Köln bleibt auch in Zukunft das Geißbockheim«, hieß es in einer Mitteilung des Klubs. Damit erteilte er Plänen, sich am westlichen Stadtrand in Marsdorf zu erweitern, eine Absage.
Die Kehrtwende ist überraschend. In den vergangenen zwei Jahren hatten sich Klub, Stadtverwaltung und Politik angenähert, die Einigung auf Marsdorf schien Formsache. Ursprünglich hatte der Klub seine Infrastruktur am jetzigen Standort erweitern und dafür auch die Gleueler Wiese im Äußeren Grüngürtel bebauen wollen. Einem entsprechenden Bebauungsplan hatte der Stadtrat 2020 zugestimmt, doch war das Vorhaben in weite Ferne gerückt. Zum einen fehlte dem FC ein Pachtvertrag für die Gleueler Wiese, über den der Stadtrat erneut hätte abstimmen müssen. In der Zwischenzeit aber hatten sich die Mehrheitsverhältnisse im Stadtrat geändert. Die Grünen hatten sich mit der CDU auf ein Moratorium zum Ausbau verständigt. Zum anderen waren die Bürgerinitiative »Grüngürtel für alle« und der Nabu NRW mit einer Klage erfolgreich. Ende 2022 urteilte das Oberverwaltungsgericht Münster, dass der Bebauungsplan nicht rechtmäßig ist. Man könnte diesen zwar »heilen« — aber auch nur mit einer Mehrheit im Stadtrat. Der FC legte Berufung ein. Am 23. April (nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe) wird ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVG) in Leipzig erwartet. Doch selbst wenn das BVG den Bebauungsplan für rechtens erklärte, könnte der FC ihn ohne Zustimmung im Stadtrat nicht umsetzen, und die gilt als ausgeschlossen.
Auch für Friedmund Skorzenski war das Umdenken des FC unerwartet. »Ich fand die Pläne für Marsdorf toll«, sagt der Sprecher von »Grüngürtel für alle«. Der FC hätte in Marsdorf Flächen für einen »Campus« bekommen. Zudem hätte die Stadt dem FC dessen Anlage im Äußeren Grüngürtel abgekauft und zur Bezirkssportanlage umgebaut. Gerade das finanzielle Angebot kritisiert der FC nun:
Laut Geschäftsführer Türoff sind »die finanziellen Vorstellungen der Stadt für den FC schlicht und einfach wirtschaftlich nicht machbar«. Die Kosten für das Projekt in Marsdorf beziffert der FC auf 120 Mio. Euro. Dem Vernehmen nach war die Stadt bereit, sich mit etwa 30 Mio. zu beteiligen, der FC forderte 60 Mio. Euro.
Wir werden uns weiterhin gegen jeglichen Ausbau im Grüngürtel stemmenFriedmund Skorzenski, Initiative »Grüngürtel für alle«
»Was der FC macht, nämlich Druck auszuüben auf die Stadt, ist eine Art moralische Erpressung«, sagt Skorzenski von Grüngürtel für alle. »Es ist nicht Aufgabe der öffentlichen Daseinsvorsorge, ein Unternehmen aus der Unterhaltungsindustrie, das nicht in der Lage ist, seine Infrastruktur selbst zu finanzieren, mit Steuergeldern zu unterstützen.« Anders als der FC sah die Stadt Köln auch beihilferechtliche Probleme: OB Reker teilte mit, man sei vor dem Hintergrund des Einsatzes von Steuergeldern »bis an die Grenzen der rechtlichen Möglichkeiten gegangen«. Nicht nur die Stadtspitze, die das Thema FC-Erweiterung gerne abgeräumt hätte, reagierte verschnupft. Die Politik, in der der FC von den großen Ratsfraktionen nur die SPD an seiner Seite sieht, war reserviert. Vor allem für die Grünen, die stets gegen den Ausbau auf der Gleueler Wiese waren, wäre ein Umzug des FC nach Marsdorf ein Erfolg gewesen.
Für den Ausgang der Debatte ist das BVG-Urteil vom 23. April zwar wichtig, aber nicht entscheidend. Weil dem FC ein Pachtvertrag fehlt, könnte er den Ausbau am Geißbockheim selbst mit rechtmäßigem Bebauungsplan nicht umsetzen. Denkbar wäre, dass der FC — sollte das BVG den Bebauungsplan für rechtmäßig erklären — zunächst nur einen Teil seines Vorhabens umsetzt: den Bau eines Leistungszentrums auf versiegelten Flächen. Dafür benötigte er lediglich eine Baugenehmigung. Auch gegen einen »Ausbau light« aber hat »Grüngürtel für alle« bereits Widerstand angekündigt. »Wir werden uns weiterhin mit allen rechtlichen und politischen Mitteln gegen jeglichen Ausbau im Grüngürtel stemmen«, sagt Friedmund Skorzenski. Wahrscheinlich ist auch, dass die FC-Erweiterung erneut die Politik beschäftigen wird. Laut FC wäre eine Weiterentwicklung am Geißbockheim »mit dem notwendigen politischen Willen« umsetzbar — unabhängig vom Ausgang vor dem BVG. Es ist eine Ankündigung, das Thema im Kommunalwahlkampf zu platzieren, der im Sommer anlaufen wird.