Sitzen statt Parken: Die Außengastronomie boomt

Fünf Jahre für anderthalb Meter

Die Außengastronomie wird endlich neu geregelt — ein bisschen zumindest

Die Stadt Köln will einheitliche Regeln aufstellen, wie viel Platz die Außengastronomie auf Gehwegen und Plätzen einnehmen darf. Darüber war in den zurückliegenden Jahren Streit entbrannt, weil teilweise Gehwege mit Tischen und Stühlen zu eng wurden, zumal dann, wenn man auf einen Rollator angewiesen ist oder einen Kinderwagen schiebt. Aber auch die Gastronomen waren ­unzufrieden, weil das Ordnungsamt bei Kontrollen konfrontativ auftrete oder Regelungen über die Maßen streng auslege.

Es herrschte wohl auch eine gewisse Unklarheit. Denn es gibt eine Vielzahl von Vorschriften, die bei der Außengastronomie zum Tragen kommen, aber bislang nicht in einem Regelwerk gebündelt waren: Ordnungs- und Verkehrsrecht, kommunale Satzungen, technische Richtlinien, DIN-Vorschriften. Schon Mitte 2019 hatte der Stadtrat die Verwaltung beauftragt, einheitliche Regeln für die Anordnung von Außengastronomie festzulegen. Vor anderthalb Jahren wurde dann ein »Konsultationskreis« mit rund sechzig Vertreterinnen und Vertretern von Politik, Verwaltung,  Gastronomie sowie Verbänden, die sich für ­Barrierefreiheit einsetzen, ­gebildet. Die Ergebnisse aus acht ­Untergruppen werden insgesamt 15 politische Gremien durchlaufen haben, wenn der Stadtrat am 16. Mai darüber abstimmt.

»Die zunehmenden Veränderungen des Klimas führen auch dazu, dass die Menschen sich öfter im öffentlichen Raum aufhalten, und dafür ist gute Außengastronomie wichtig«, sagt der zuständige Baudezernent Markus Greitemann. »Auf der anderen Seite wollen wir aber auch eine Stadt, die verkehrssicher und vor allem barrierefrei ist. Dafür müssen wir vernünftige Kompromisse finden.«

Dem beachtlichen Aufwand für diese Kompromisse steht nun ein etwas karger Ertrag gegenüber: In den Straßen soll die »hindernisfreie Gehbahn« mindestens 150 Zentimeter betragen; werden Straßen neu- oder umgebaut, müssen es 180 Zentimeter sein. Außerdem soll in jeder Straße die Außengastronomie einheitlich entweder zur Fahrbahn oder zu den Hausfassaden hin angeordnet werden.

»Das ist richtig, damit niemand mehr Zickzack laufen muss, und nicht nur für Menschen mit Sehbehinderung wichtig«, sagt Wilfried Bröckelmann von der ­Seniorenvertretung Innenstadt. Eine freie Gehbahn von anderthalb Metern sei aber viel geringer als in vielen anderen Städten und viel zu wenig. »Da darf dann wirklich kein Blumenkübel oder Werbeträger im Weg stehen«, so Bröckelmann. ­Bislang gebe es ständig »kölsche Lösungen« und Ausnahmen. »Das mag für junge Leute kein Problem sein, für viele aber ist es ein großes Hindernis und schränkt sie ein.«

Gute Außengastro­nomie ist wichtig. ­Wir wollen aber auch eine Stadt, die verkehrssicher und vor allem barrierefrei istBaudezernent Markus Greitemann

Aber auch an der Gestaltung von Außengastronomien gibt es Kritik — und bislang keinen Kompromiss. Greitemann kündigt an: »In einem zweiten Schritt wird es dann um die Entwicklung von gestalterischen ­Kriterien für eine qualitätvolle, hochwertige Gastronomie im öffentlichen Raum gehen.« Der Baudezernent spricht dabei von einer »Selbstverpflichtung« der Gastronomie. Er sei überzeugt, dass die Gastwirtinnen und Gastwirte »Verantwortung für das Stadtbild tragen wollen und zudem wissen, dass qualitätsvolle Außenbereiche auch gut für ihre Lokale und die Kundenfrequenz sind.« Es gehe auch darum, die diese Selbstverpflichtung einzuhalten. »Dann darf man sie auch darauf hinweisen, dass der Sonnenschirm nicht auf halb elf hängen soll«, so Greitemann. »Den weißen Plastikstuhl mit abgeknicktem Fuß möchte ich jedenfalls nicht mehr sehen.« Die neuen Regeln würden auch die Arbeit des Ordnungs­amtes erleichtern und für Klarheit sorgen, sagt Greitemann.

Wenn sich der Rat im Mai für die Beschlussvorlage ausspricht und die Gastronomie die Selbstverpflichtung formuliert, könnten die Regeln 2025 in Kraft treten. Zudem kündigt Greitemann an, er werde »Sitzen statt Parken«, die gastronomische Nutzung von Parkplatzflächen, »weiter positiv begleiten«. Wilfried Bröckelmann von der Seniorenvertretung Innenstadt sagt, im öffentlichen Raum müsse man auch sitzen und ausruhen können, ohne etwas zu verzehren. Die Gastronomie habe eine starke Stimme in Köln, aber auch die anderen müssten gehört werden. »Aber deren Stimmen verschwinden zunehmend unter dem Erlebnis-, dem Eventdruck in Köln«, so Bröckelmann. »Dass der Fußgängerbeauftragte der Stadt Köln entnervt das Handtuch geworfen hat, ist vielsagend.« Greitemann habe Recht, wenn er davon spreche, öffentlicher Raum müsse »lebens- und liebenswert« sein. »Aber  nicht nur für Touristen, junge Menschen und Gas­tronomen, sondern auch für die, die in ihrer Mobilität unsicher sind.«