Partner vor und hinter der Kamera: Viggo Mortensen © Grandfilm Slot Machine

»Ich vertraue darauf, dass ein Film seine Form findet«

Meta-Western: Lisandro Alonso über seinen Film »Eureka« und die Arbeit mit Viggo Mortensen

Herr Alonso, »Eureka« ist Ihr erster Spielfilm seit 2014. Warum gerade jetzt ein Western?

Ich bin nicht der große Geschichtenerzähler, mich interessieren die Natur und Menschen, die am Rande der Gesellschaft leben, oft isoliert und marginalisiert. Wie die Indigenen des Pine-Ridge-Reservats in South Dakota. Insgeheim hat mich der Western als Genre schon immer angezogen. Aber vor allem US-amerikanische Western haben Indigene meist sehr verzerrt dargestellt. Dies ist mein Versuch, den Western als Erzählform bewusst zu machen und zugleich die heutige Lebensrealität der Indigenen zu zeigen. Vor allem in den Vereinigten Staaten leben viele in Reservaten, nicht nur die Armut ist ein Problem, sondern auch ihre Isolation. Sie haben ihre Traditionen, ihren Stolz und auch ihre Wut. Sie stecken in der Vergangenheit fest, weil ihnen die Mittel fehlen, um Teil der modernen Gesellschaft zu sein.

Sie besetzen auch nichtprofessionelle Darsteller*innen in Hauptrollen. Warum?

Weil sie etwas einbringen, das kein Schauspiel ersetzen kann. Sie haben die Lebenserfahrung und die Identität, die sich nicht imitieren lassen. Bei der Vorbereitung reiste ich immer wieder ins Reservat, auch für die Drehgenehmigungen der Polizei. Dabei lernte ich viel von den Beamt*innen und ihrem Dienstalltag. Sie sind ja selbst Teil der Community, müssen sich um Delikte kümmern, in die vielleicht Freunde, der eigene Onkel oder die Tochter verwickelt sind. Und sie müssen trotzdem ihren Job machen. Jede verdammte Nacht, oft zwölf Stunden lang im Auto auf Streife. Und jede Nacht bringt neue unangenehme Erfahrungen. Was ich im Film zeige, ist da nur die Spitze des Eisbergs. Die Realität ist oft viel schlimmer. Sie müssen für Ordnung sorgen an einem Ort, für den es keine Lösung zu geben scheint.

Wie schon in ihrem letzten Film »Jauja« haben sie aber auch einen Star besetzt: Viggo Mortensen. Was zeichnet ihn aus?

Er ist in jedem Sinne ein toller Partner, vor und hinter der Kamera, er ist immer voll da. Er stellte auch den Kontakt zum Reservat her, das er von den Dreharbeiten zum Film »Hidalgo« kannte. Im Laufe der Jahre hat sich unser Verhältnis immer mehr vertieft. Wir sind ständig in Kontakt und überlegen, was wir als nächstes zusammen angehen. Er ist zum Teil in meinem Heimatland Argentinien aufgewachsen, wir verstehen uns, sind wie Brüder.

Reines Erzählkino ­interessiert mich nicht. Ich werde nie Woody Allen seinLisandro Alonso

Ebenso haben Sie erneut mit dem Finnen Timo Salminen zusammengearbeitet, der sonst vor allem für Aki Kaurismäki hinter der Kamera steht. Was macht ihn so besonders?

Ich bewundere, wie Timo das Licht und Einstellungen setzt. Er ist in Vielem sehr viel klassischer als ich. Ich habe keinen bestimmten Stil, beobachte vor allem, lasse Szenen laufen, sage nie »Cut!«. Er erinnert mich daran, auch mal einen Gegenschuss zu drehen. Er versteht meine Sichtweise, weiß aber Szenen besser aufzulösen. Er hat ein Gespür für Räume und Rhythmus, auch im Schnitt.

Wie herausfordernd war es, einen »klassischen« Western mit all den Klischees zu drehen?

Das Genre hat seine eigenen Regeln, die mir nicht immer geläufig waren. Zugleich hatten wir beim Dreh dieser Szenen den meisten Spaß. Wir waren wie Kinder, zwischendurch gab’s Tequila Shots. Wirklich herausfordernd war eher, dass der Film eine internationale Ko-Produktion ist und so viele Menschen involviert waren, die alle ihre eigenen Vorstellungen und Arbeitsweisen hatten. Ich war bislang mein eigener Boss und gewohnt, mein Ding zu machen. Und plötzlich gab es Strukturen, Drehpläne und Dinge zu organisieren und abzustimmen.

Ihre Filme unterscheiden sich sehr voneinander. Ist das eine bewusster Prozess?

Das ergibt sich ganz organisch. Ich überrasche mich gern, lasse mich treiben und vertraue darauf, dass ein Film die Form findet, die zu seinem Mikrokosmos passt. Ich drehe meist sehr lange, über einen Zeitraum von zwei, drei Jahren, in mehreren Phasen. Und dann beginne ich im Schnittraum, den Film zu finden. Ich sehe mich dabei eher in der Tradition von Regisseuren, die sich als audiovisuelle Künstler verstehen. Reines Erzählkino interessiert mich nicht. Ich werde nie Woody Allen sein. Ich versuche, meinen eigenen Weg zu gehen und nicht in anderer Leute Fußstapfen zu treten.