Was ist Zeit?
Was ist Erinnerung? Eine Wegmarke der Vergangenheit, eine retrospektive Vergegenwärtigung? Denkt man an transgenerationale Traumata, dann wird wiederum offensichtlich, dass Erinnerungen auch weit über den Anlass hinausragen können.
Die in Köln beheimatete Akademie der Künste der Welt untersucht in ihrer Ausstellung »Memory is not only past«, die den Auftakt des neuen dreijährigen Programms namens »Not Afraid of Art« darstellt, verschiedene Erinnerungsmodi. Beim Betreten des Akademie-Spaces an der Herwarthstraße, den man »Studio« nennt, wird man von fröhlichen Lauten und Geraschel begrüßt. In der Tischinstallation »Dollhouses for Dinosaurs« versteckt sich ein Bluetooth-Lautsprecher, er ist als Möbel in ein architektonisches Modell mit angeknabberten Wänden und Stöcken gestellt. Es folgen Fotos von Papageien, zerrissene Bücher, Korkeichen-Rinde. In der Ecke des Raums steht ein Plattenspieler, an den Wänden hängen abstrakte Kartonage-Bilder. Die Arbeiten stammen von dem Künstler*innen-Duo Hörner/Antlfinger. Die beiden KHM-Professor*innen arbeiten seit einiger Zeit mit ihren Graupapageien zusammen, lassen dabei die durchaus an Ästhetik interessierten Vögel mit- und einwirken. Ganz im Sinne der Soziologin Donna Harraway, die diese Art von Beziehungen über die Speziesgrenze hinaus auch als Kinships bezeichnet, verwirklicht das human-animale Künstlerkollektiv Bilder, Skulpturen, Sound-Artworks und Installationen. Es ergeben sich spannende Fragen nach non-humanem Verständnis von Ästhetik und Erinnerung: Papageien besitzen, das zeigen wissenschaftliche Studien, ein menschenähnliches Zeitgefühl.
Die unklaren Grenzlinien zwischen Vergangenheit und Gegenwart untersucht die Berliner Künstlerin Anna Zett in ihrer Arbeit »Es gibt keine Angst«. Die Paranoia des Überwachunsgapparats der Staatssicherheit in der DDR ragte noch weit über das Jahr 1990 hinaus. Die Möglichkeiten seine Stasi-Unterlagen einzusehen, führte bei vielen ehemaligen DDR-Bürger*innen zur Retraumatisierung. Dazu passend laden Sitzsäcke zum verweilen ein: Sie bilden die Buchstaben A, N, G, S und T.
Die Arbeiten von Salwa Aleryani und Barış Doğrusöz hingegen stellen Fragen nach der Gegenwärtigkeit von (post-)kolonialen Strukturen (Aleryani) oder heutigen Methoden der Überwachung in verschiedenen Ländern der Welt (Doğrusöz). Eine gelungene Ausstellung, die trotz iher überschaubaren Größe Lust auf das neue Programm der Akademie macht.
Akademie der Künste der Welt Studio, Herwarthstr. 3, bis 30.7., Fr–So 15–20 Uhr