Erfahrungen machen durch Experimente: Stawrula Panagiotaki

Neue Räume, neue Diskurse

Seit letzten November ist ­Stawrula ­Panagiotaki künstlerische Leiterin der studiobühneköln. Im Interview erzählt sie von ihren Plänen und der Suche nach neuen Spielorten

Als Dramaturgin bist du schon lange dabei, 2009 hast du am Schauspiel Köln angefangen. Wie würdest du da deine Erfahrungen oder deine Jobbiografie beschreiben?

Nach dem Studium in Berlin habe ich während der Intendanz von Karin Beier zunächst als Assistentin am Schauspiel Köln angefangen und konnte später erste Erfahrungen als Produktionsdramaturgin sammeln. Anschließend habe ich als Dramaturgin sowohl in freien Produktionen als auch an verschiedenen Häusern und beim Berliner Theatertreffen gearbeitet. Stadttheater und freie Szene haben mich immer gleichermaßen interessiert und lange konnte ich mich nicht entscheiden, wo ich lieber arbeiten würde. Nach meiner Rückkehr habe ich das Schauspiel Köln — dann schon unter der Leitung von Stefan Bachmann — als ein sehr offenes Haus erlebt, an dem genau das wertgeschätzt wurde: Ich konnte meine Kontakte zur freien Szene weiter pflegen und von dort neue Einflüsse mitbringen und Kooperationen initiieren. Eine der schönsten Erfahrungen in dieser Zeit war, dass man mir die Kuratierung des Britney anvertraute — der ehemaligen Außenspielstätte des Schauspiels am Offenbachplatz, an dem ich mit einem breit gefächerten Programm von Performances, Konzerten, Kunst, Film und Theater experimentieren konnte.

Trotzdem ist deine neue Tätigkeit an der Studiobühneköln ein Sprung. Denn du bist da jetzt Leiterin.

Ja, das ist ein Sprung, aber nicht so sehr wegen der Stellung, sondern weil es ein komplett neuer Arbeitsbereich ist. Die Konstruktion der Studiobühne ist sehr besonders: personell und strukturell wird sie von der Uni getragen, aber die Konzeptionsförderung, mit deren Mitteln das künstlerische Programm gestaltet wird, erhält sie von der Stadt.

Was leitet sich dann daraus ab? Was heißt das konkret für deine Arbeit?

Ein Beispiel: Freie Gruppen erarbeiten zum Teil nur eine Produktion im Jahr, weil sie ihre Stücke und Texte oft selbst entwickeln. Dem geht in der Regel eine umfangreiche Recherchearbeit zu den verhandelten Themen voraus, bei der auch Wissenschaftler*innen konsultiert werden. Hier kommt die Uni ins Spiel. Ich würde gerne Künstler*innen vermehrt mit den Wissenschaften zusammenbringen und Kooperationen aufbauen. Aktuell spreche ich deshalb mit vielen Menschen aus allen Fakultäten und Forschungsbereichen und versuche herauszufinden, an welchen Themen sie arbeiten und wo dort vielleicht für Theaterarbeiten nutzbare Potentiale schlummern. Ich stelle mir die Studiobühne auch zukünftig als einen interdisziplinären Ort vor, an dem genreübergreifend produziert wird. Diskursive Formate werden vielleicht einen größeren Raum einnehmen und auch im Bereich Tanz möchte ich vermehrt Produktionen ermöglichen.

Spätestens nach dem »Bologna-Prozess« nehme ich die Universität einerseits als Verlängerung der Schule, andererseits als funktionalistische Vorbereitung auf den späteren Beruf war. Was du ansprichst, scheint mir in Nischen zu verschwinden. Gibt es denn tatsächlich von den Leuten an der Uni das Interesse, sich der Studiobühneköln — also wenn man so will: dem freien Spiel — gegenüber zu öffnen?

Ich gehe da erst mal mit größtmöglicher Offenheit ran, und genauso wird uns und unseren Programmideen bisher auch begegnet. Zentral könnte hier der Aspekt des Wissenstransfers werden, denn für Universitäten wird die Vermittlung in die Gesellschaft hinein immer wichtiger. Ich beobachte da auf Seiten der Wissenschaft ein großes Bedürfnis, sich zu öffnen und neue Vermittlungsformen zu probieren. Die Kunst, und besonders das Theater, ist dafür ja eigentlich prädestiniert. Die Frage, welche Formate wir gemeinsam entwickeln können, begleitet mich deshalb in sehr vielen Gesprächen, die ich mit Künstler:innen oder Vertreter:innen der Uni führe.

Ich stelle mir die ­Studiobühne als einen interdisziplinären Ort vor, an dem genreübergreifend ­produziert wirdStawrula Panagiotaki

Und ist es immer noch so, dass, wenn ich Studierender an der Uni bin und Lust auf Theater habe, es dann das Angebot der studiobühneköln gibt, in diese Welt einzusteigen?

Na klar! Zum einen bieten wir ein umfangreiches Kursprogramm an. Das steht Studierenden kostenfrei zur Verfügung. Erstsemester können außerdem die Produktionen der »studiobühneköln« bei freiem Eintritt besuchen. Ich kann schon mal verraten, dass wir das Kursangebot gerade überarbeiten und versuchen uns dabei stärker an der Praxis zu orientieren. Für unser Programm »Uni-Bühne« halten wir außerdem Ausschau nach Theatergruppen aus dem Kreis der Studierenden. Die dazu gehörigen Formate müssen nun nach der Pandemie zum Teil wiederbelebt werden.
Zum Übergang gehört auch, dass die studiobühneköln seit drei Jahren ohne festen Spielort dasteht. Der angestammte, die Alte Mensa, soll saniert werden — und ist doch nur ein Baustein einer ganzen Reihe von Sanierungsprojekten der Universität. Die Alte Mensa wurde vor gut drei Jahren aus technischen Gründen geschlossen. Seitdem ist die Studiobühne ohne festen Spielort und realisiert Produktionen in den Räumen anderer Kölner Theater. Zur Zeit vor allem in der Orangerie und in der TanzFaktur. Wir suchen noch einen Interimsort, den wir beziehen können, bis die Alte Mensa saniert ist. Mit der Sanierung wurde allerdings bislang noch nicht begonnen, d.h. wir werden leider wohl noch eine längere Zeit überbrücken müssen. Die Suche in Köln gestaltet sich erwartbar schwierig und nimmt ebenso wie die Termindisponierung mit den Häusern, in denen wir gerade gastieren, viel Zeit in Anspruch, die wir lieber auf die Programmarbeit verwenden würden.

Was sind da die Alternativen?

In dieser besonderen Situation können wir aber auch an ganz andere Orte gehen und sie im Sinne eines erweiterten Theaterbegriffs erschließen: zum Beispiel hat der Künstler Constantin Leonhard für uns kürzlich gemeinsam mit dem Musiker Benjamin Adams eine Performance im GeoMuseum der Uni realisiert — ein toller Ort voller faszinierender Exponate aus aller Welt, den ein Großteil des Publikum zuvor nicht kannte. Das Thema »Staunen« der Performance hat sich in Kölns tatsächlich einzigem Naturkundemuseum sehr gut eingelöst. Wir werden auch in Clubs oder im Stadtraum produzieren. Dennoch: Ein eigenes Haus ist identitätsstiftend für ein Theater wie unseres und bleibt deshalb immer ganz oben auf meiner Agenda. Ich empfinde die Zusammenarbeit mit der Universität und der Stadt Köln aber als produktiv, sowohl bei der Interimssuche als im Zusammenhang mit der Sanierung der Alten Mensa, denn beides ist nur zusammen zu denken. Diese Dinge voranzutreiben gehört in den kommenden Jahren zu meinen Hauptaufgaben.

Termine Studiobühne: »Edelweiß­piraten. Kölner Jugend zwischen Rebellion und ­Freiheitsliebe« von ­Frederike Bohr Theaterproduktion. 1.–5.5., jeweils 20 Uhr, am 5.5. um 18 Uhr, »Titanic II« von Markus & Markus, 16. & 17.5., jeweils 20 Uhr
Beide Inszenierungen in der Außenspielstätte Technologiepark der ­Tanzfaktur, Vitalisstraße 314
Schauspiel Köln: »Ein von Schatten begrenzter Raum«, nach dem gleich­namigen Roman von Emine Sevgi ­Özdamar. In einer Bühnenfassung von Stawrula Panagiotaki, (P) Mi 8.5., 20 Uhr,  Depot 2