Die Frau aus den Schlagzeilen
Videowände und ein Tisch für Beweismaterialien. Lola Klamroth, Rebecca Lindauer und Katharina Schmalenberg spielen alle Rollen. Als drei namenlose Anwälte erscheinen sie mit ihren Akten auf der Bühne, um den Fall Katharina Blum von 1974 dokumentarisch aufzuarbeiten. Etwas im Tonfall offenbart schon eine Lust, Dinge durch den Kakao zu ziehen. Anders als bei »Die Lücke« birgt Heinrich Bölls erfundener Behördenskandal viel Gestaltungsfreiheit.
Die 27-jährige Kölnerin Blum gerät ins Fadenkreuz der Behörden, als sie einen Mann bei sich übernachten lässt, der, ohne dass sie es weiß, ein Terrorverdächtiger ist. Die Polizei glaubt nun, dass sie den Entkommenen kannte und schützen will. In langen Verhören muss sie Frage und Antwort stehen. Als eine bekannte Zeitung in verzerrter Form über die Ermittlungen berichtet, ist auch noch ihr Ruf hinüber.
Was die optisch ausgeklügelte, unterkühlte und wortlastige Inszenierung von Bastian Kraft besonders offenbart, ist Blums Wehrlosigkeit gegenüber einer Art von Inbesitznahme ihres Lebens durch Polizei, Presse und Öffentlichkeit. Symptomatisch dafür ist, wie die Vernehmerinnen ihr Worte in den Mund zu legen versuchen, die nicht ihrer eigenen Auffassung entsprechen. Böll verstand, was ihr widerfuhr, als Form von Gewalt. Im Rückblick wird daraus eine von Männern ausgehende Drangsalierung mit System. Der Text gibt es her, wenn er auch manch gezielter Betonung unterworfen ist.
Der Lebensenteignung Blums gegenüber entpuppt sich das Stück als weibliche Zurückeroberung. Nun sind es Frauen, die in Bölls Karikaturmännern stecken und sie so darstellen, wie sie wollen. Auf den Videowänden, die im Instagram-Format mit Kodachrome-Filter zentrale Szenen der Erzählung nachvollziehen, ist etwa Klamroths apathischer Kommissar mit einer vollbärtigen Maskulinität à la Wolverine gesegnet. Ein Kostümwechsel macht die Moderationsanwälte endgültig zu Neuverkörperungen von Blum.
Ihren Frust lassen sie erstmal künstlerisch heraus. Sie attackieren die Bildschirme mit Farbe und brechen zu Videoclip-Optik in ein »Look What You Made Me Do« von Taylor Swift aus, das schon auf den Schluss einstimmt. Aus dem Drama ist eine Satire und Anklage eines zudringlichen und empathiefreien patriarchalischen Apparats geworden. Fünfzig Jahre nach Böll sind die Medien, in denen Urteile gefällt und verbreitet werden, nicht unbedingt sensibler.