Schneck lass nach

Wie der Kampf gegen Schnecken ins moralische Dilemma führt

»Aber die Natur freut sich!« Der Satz fiel oft, als es in letzter Zeit viel regnete, und es stimmt ja auch. Endlich sind die Böden nicht mehr so hart und trocken, sogar unser junger Birnbaum, von dem ich dachte, ihn habe der Trockenstress der letzten Jahre dahingerafft, hat Früchte angesetzt. Zur Natur gehören aber auch die Schnecken, und die freuen sich auch. Dass sie sich hin und wieder durchs Gemüsebeet fressen, lernt man hinzunehmen, so wie man als Gärtner in vielerlei Hinsicht Demut lernt, zumindest wenn Chemie im Garten nicht infrage kommt.

Jetzt, im feucht-warmen Milieu des vergangenen Monats, ist die Schnecken-Lage jedoch eskaliert. Sie lauern überall, im Gartenhaus, in Gießkannen. Sie haben die liebevoll vorgezoge­nen Fenchel-Pflänzchen gänzlich vertilgt, ebenso den Salat. Sie haben dafür kaum zwei Tage gebraucht und nichts als schaumige Spuren hinterlassen. Die Erbsen haben sie auf eine Weise durchlöchert, dass die Pflanzen nur mehr wie Gerippe aussehen.

Was kann man da tun? Auch mir macht das Töten keinen Spaß. Ich habe ja nichts gegen die einzelne Schnecke. Aber diese biblische Plage kann ich in meinem Garten nicht dulden. Freunde naturnahen Gärtnerns empfehlen Thymian als Anti-Schnecken-Kraut. Die Super-Schnecken dieses Jahres schert das nicht, sie schnecken und schleimen im Thymian herum und fühlen sich darin demonstrativ wohl. Natürlich bietet auch das Gartencenter allerlei Produkte, Schneckenkragen zum Beispiel, also Plastikringe, die man um jede Jungpflanze einzeln setzen muss. Es sieht furchtbar traurig aus, und die Schnecken kriechen locker rüber, warnt eine Nachbarin. Nachdem ihre beringten Paprikapflänzchen komplett ­verspeist wurden, zieht sie ihr Gemüse nun in Blumentöpfen, die sie mit Schleifpapier umwickelt.

Viele gehen jetzt in der Dämmerung zum »Schnecken ­aufsammeln« in den Garten. Das klingt harmlos, aber: Was tun die Leute anschließend mit den aufgesammelten Tieren?

Sie mit dem Teppichmesser zerschneiden? Lebendig in den Nachbarsgarten werfen? Oder in die Mülltonne jenseits der nächsten Ausfallstraße? Darüber wird nicht gesprochen.

Man hört, dass einzelne jetzt zum Schneckenkorn greifen, zur chemischen Keule, was im Kleingarten natürlich streng verboten ist. Die Natur wird das nicht freuen.