»Grenze überschritten«: DuMont-Zentrale an der Amsterdamer Straße

E-Commerce statt Journalismus

Die Belegschaft des Kölner Stadt-Anzeiger protestiert gegen Entlassungen und ­Umstrukturierungen in ihrer Redaktion

Seit März herrscht große Aufregung beim Kölner Stadt-Anzeiger. »Nach den Ereignissen der vergangenen Wochen und Monate« drohe der Stadt-Anzeiger »zu zerbrechen«, so die Belegschaft im April in einem von zwei Offenen Briefen, mit denen sie sich an Verlegerin Isabelle Neven DuMont und Herausgeber Christian DuMont Schütte wandte.

Kurz vor Ostern hatte KStA-Geschäftsführer Thomas Schultz-Homburg Mitarbeiten­den angekündigt, dass die Digital-Redakteur*innen künftig dem Digital Competence Center, also der Abteilung für Produktmanagement und Abos, unterstellt seien. »Business und Redaktion« sollten ­»enger zusammengeführt« werden. Angestrebt ist eine stärkere Verknüpfung mit E-Commerce. Dass künftig »nicht mehr Journalisten die relevanten Entscheidungen treffen«, stelle »die Grundlagen unseres Berufs in Frage«, schrieb die Belegschaft dazu.

Zu diesem Zeitpunkt hatte die Redakteur*innen des Hauses bereits der zweite Schock ereilt: die bevorstehende Trennung von der 13-köpfigen Redaktion »Ratgeber, Magazin, Freizeit«. Betroffen seien »ausschließlich Frauen«, so der Betriebsrat. »Die am besten gerankten Artikel stammen regelmäßig aus diesem Ressort.«

Die Inhalte soll künftig unter anderem das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) liefern. Die RND Berlin GmbH, an der Madsack zu 75 und DuMont zu 25 Prozent beteiligt sind, liefert für den Stadt-Anzeiger schon heute die überregionale Politikberichterstattung. Können Schreibmanufakturen, die für Verlage im gesamten Bundesgebiet produzieren, in einem Ressort, in dem es aufs Lokale ankommt, Erfolgreiches zustande bringen? Das darf man bezweifeln.

Der dritte Schlag für die Mitarbeitenden: die unternehmens­seitig angekündigte Auslagerung der Redaktionssekretariate in andere Verlagsgesellschaften. Das sei »eine bekannte Methode, um möglichst einfach weitere Stellen zu streichen«, kritisiert die Belegschaft. Redaktionssekretariate sind organisatorische Schaltzen­tralen, ohne die die alltägliche Arbeit nicht bewältigt werden kann.

Alexandra Roth von der Deutschen Journalisten-Union sagt: »Es kann nicht sein, dass wir als Journalistinnen und Journalisten in unseren Zeitungen den Umgang von Arbeitgebern mit ihren Angestellten in höchstem Maße kritisieren, aber die Verleger agieren wie ein DAX-Unternehmen.«

Die Unterzeichnenden der Offe­nen Briefe haben den Eindruck, dass »unsere Rolle« darin besteht, »der Verlegerfamilie mehr Geld zu erwirtschaften«. Und sie vermuten, dass der Stadt-Anzeiger »auf Kosten der Belegschaft und journalistischer Integrität ausgeblutet wird — um andere Unternehmenszweige innerhalb der DuMont-Gruppe zu finanzieren«. Gemeint ist die Dumont-Tochter United Marketing Technologies.

Auf eine Stadtrevue-Nachfrage zu den zeitlichen Vorgaben für die Umsetzung der geplanten Maßnahmen reagierte KStA Medien nicht. In der Debatte geht es längst nicht mehr allein um Solidarität mit Kolleg*in­nen. In den Offenen Briefen ist auch von Journalismus als »Säule der Demokratie« die Rede. »Ich kann mich nicht daran erinnern, dass die komplette Redaktion des Kölner Stadt-Anzeiger jemals in dieser Schärfe das eigene Management kritisiert hat«, sagt Peter Freitag, Betriebsrat bei der Rheinischen Redaktionsgemeinschaft, der gemeinsamen Lokalredaktion von Kölner Stadt-Anzeiger und Kölnischer Rundschau. »Das zeigt: Die Geschäftsführung hat eine Grenze überschritten. Das Vertrauen, dass sie noch bereit ist, die Bedingungen für Qualitätsjournalismus zu schaffen, ist nicht mehr da.«

Was die Online-Berichterstattung angeht, malt die Belegschaft folgendes Szenario: »Es ist zu befürchten, dass künftig über Entscheidungen im Rathaus oder gar wichtige Minderheitenthemen ­digital nicht mehr berichtet wird. Mit dem absehbaren Aus der Print-Ausgabe verschwinden diese Berichte dann komplett aus Köln und der Region.« Kommunalpolitik ist halt nicht E-Commerce-kompatibel.