Feindliche Übernahme?
Als vor rund drei Jahren der Archiv-Neubau am Eifelwall eröffnete, stand das Historische Archiv im Fokus: Endlich hatte die gebeutelte und seit dem Einsturz am Waidmarkt in ihren Beständen arg dezimierte Institution eine neue Heimat gefunden. Auch das Rheinische Bildarchiv (RBA) zog aber in den Neubau, das nie großen Besuchsverkehr hatte, aber eins der größten kunsthistorischen Bildarchive Deutschlands ist. Beide Institutionen, so die Idee, können Lesesaal und Ausstellungsraum gemeinsam nutzen.
Man habe sich auf das gemeinsame Domizil gefreut, berichtet Evelyn Bertram-Neunzig, ehemalige stellvertretende Leiterin des RBA. »Es hieß, wir werden gleichberechtigte Partner.« Zum 1. Januar 2023 wurde das Rheinische Bildarchiv, das zuvor organisatorisch an die Kunst- und Museumsbibliothek angebunden und direkt dem Kulturdezernat unterstellt war, als »Sachgebiet« an das Historische Archiv angegliedert, ein zunächst geräuschloser Vorgang, denn Arbeitsbereiche und Aufgaben sollten unverändert bleiben. Doch nun knirscht es: Die langjährige Leiterin des RBA, Johanna Gummlich, wurde im April ins Historische Archiv in den Bereich Handschriften versetzt, dem Vernehmen nach, weil sie die Umstrukturierung nicht einfach hinnehmen wollte und einen Bedeutungsverlust des Bildarchivs befürchtete. Man sehe »die Belange der Fotografie missachtet und gefährdet«, heißt es in einem unter anderem vom Fotografen Reinhard Matz initiierten Protestbrief, und wolle die institutionelle Selbständigkeit des RBA gewahrt wissen.
Im Kulturausschuss dazu befragt, versicherte Ulrich Fischer, stellvertretender Leiter des Historischen Archivs, es handle sich lediglich um ein »laufendes Geschäft der Verwaltung«, das an der Bedeutung des RBA nichts ändern werde. Brigitta von Bülow (Grüne) reicht das nicht: »Bundesweit gehen in der Fotografie-Szene die Alarmzeichen los, weil das RBA nicht mehr selbständig agieren könne. Und wir als Politiker wurden über diese Eingliederung nicht einmal informiert.«
Bundesweit gehen in der Fotografie-Szene die Alarmzeichen los, weil das RBA nicht mehr selbständig agieren kannBrigitta von Bülow, Grüne
Als »Sturm im Wasserglas« wiederum bezeichnet Ralph Elster (CDU) die Aufregung. Es sei sinnvoller, das RBA als Teilbereich weiterzuführen, statt eine eigene Dienstelle mit eigenen Verwaltungsstrukturen aufzubauen. »Die Prozesse im RBA sind verbesserungswürdig. Man könnte aus dem hervorragenden Archiv viel mehr machen.« Allerdings, so Elster, hätte man sich die Umstrukturierung sparen können, wenn auch die Kunst- und Museumsbibliothek wie ursprünglich geplant in den Neubau am Eifelwall gezogen wäre. Aus Kostengründen hatte der rot-grün geführte Rat 2013 darauf verzichtet.
Ziel der Eingliederung sei »die Stärkung des RBA und die Sicherung seiner Zukunft«, so eine Stadtsprecherin. Evelyn Bertram-Neunzig, die frühere stellvertretende Leiterin des RBA, vermutet das Gegenteil. Nicht nur die Leiterin Johanna Gummlich sei ins Historische Archiv versetzt worden, sondern auch eine Restauratorin für Glasnegative, »die einzige Fachfrau in Köln. Wer betreut jetzt die Hunderttausend Glasnegative?«, fragt Bertram-Neunzig. Einem weiteren Mitarbeiter sei die Funktion als stellvertretender Leiter entzogen worden, zudem dürfe eine für das laufende Jahr geplante Ausstellung über den Polaroid-Künstler Herbert Döring-Spengler nicht stattfinden. Bertram-Neunzig sieht die ganze Arbeitsweise gefährdet: »Wir sind ja nicht nur Archiv, sondern arbeiten mit eigenen Fotografen und Werkstatt auch als Bildagentur für öffentliche Institutionen und Privatpersonen.« Wenn das RBA nun ein Sachgebiet des Historischen Archivs sei, müsse es unter das Landesarchivgesetz fallen, fürchtet Bertram-Neunzig. Dann müssten Bestände, die ins Archiv gelangen, mindestens dreißig Jahre unter Verschluss bleiben — die Werkstatt des RBA könnte dann nicht mehr arbeiten wie bisher.
»Eine organisatorische Umgliederung führt nicht zur Änderung der rechtlichen Qualität der Fotoüberlieferung des RBA«, so eine Stadtsprecherin. Zu Personalfragen nehme man grundsätzlich keine Stellung — und was die geplante Ausstellung angehe, so »fehlten bislang die Personalressourcen«. Sie sei auf den Sommer 2025 verschoben worden.
Die Leitung des RBA hat derweil der stellvertretende Leiter des Historischen Archivs, Ulrich Fischer, übernommen. Obwohl er zwar als Verwaltungs-, aber nicht als Fotografiefachmann gilt, ist er nun als dauerhafter Nachfolger Gummlichs im Gespräch. »Es fehlt eine transparente Kommunikation, die Mitarbeiter wurden nicht partizipativ mitgenommen. Dadurch ist bereits ein Schaden entstanden«, sagt Maria Helmis-Arend (SPD). Sie warnt vor einer »Zäsur, die schädlich wäre für die Fotografie«. Das Kulturdezernat müsse nun »die Dinge heilen und sich an seinem Ziel messen lassen, das RBA wieder zu stärken«.