»Es gibt weniger Vielfalt als früher«
Herr Kader, Ihre Craftbeer-Brauerei Blauer Tapir hat schon Pale Ale, New England IPA und Wiess, unfiltriertes Kölsch, gebraut. Und jetzt »Schlömer« — ein Alt für Köln! Spaß an der Provokation oder echte Leidenschaft?
Vor allem Begeisterung für diesen Bierstil! Wir hatten schon Bedenken, ob wir das machen sollten. Dann waren wir aber mehr von Trotz als von Rücksicht auf Lokalpatriotismus angetrieben. Zumal der keinen Sinn macht: Die Leute, die Alt nicht trinken, sehen keinen Widerspruch, sich literweise das Bayerische Helle in den Kopf zu stellen. Aber dass dann ein anderer rheinländischer Bierstil, der dem Kölsch zudem nicht fernsteht, nicht in Frage kommt, leuchtet uns nicht ein.
Was ist so gut an Alt?
Alt gehört noch in die Kategorie Easy Drinking, es hat wenig Trinkwiderstand, man mag es den ganzen Abend trinken. Aber Alt bringt auch Röstmalz-Aromen ins Glas, die man eher von komplexeren Bieren wie Imperial Stout oder Porter kennt. Die Röstmalze in unserem Alt bringen etwa Assoziationen gerösteter Brotkrüstchen mit, das find ich charmant.
Wie kommen Sie auf die Rezepturen?
Ich bin kein ausgebildeter Brauer, kann mir Rezepturen nicht komplett im Kopf ausdenken, sondern es gehört viel Ausprobieren dazu. Die Test-Sude entstehen etwa mit befreundeten Brauer*innen, und wir sprechen über das Profil des Bieres. Es gibt immer Test-Sude, so dass wir nachjustieren können, um Aspekte stärker zu machen oder abzuschwächen.
Waren etablierte Alt-Biere eine Referenz?
Wir haben die Alt-Biere der Düsseldorfer Hausbrauereien analysiert:
Was ist typisch für ein besseres Alt und was schätzen wir selbst?
Eben gute Trinkbarkeit, aber auch die Röstmalz-Aromatik. Es gibt aber auch Alt von Großbrauereien, das kaum anders als Kölsch schmeckt. Blind verkostet ist es oft schon schwierig, einen Unterschied zu erkennen.
Wie wichtig ist der Hopfen?
Prägt er den Geschmack, indem man ihn einfach dazugibt? So einfach ist es nicht. Man kriegt nicht alle Aromen mit Hopfen hin, aber doch mehr als man vielleicht denkt und von Industriebieren kennt. Viele Hopfen sind zitronig, britische Hopfen bringen auch kräutig-erdige Aromen ins Glas. Auch Heu und Gras, Pinie oder Harz sind mit hochwertigem Hopfen als aromatische Aspekte möglich. Beim »Tapir Entertainment System«, unserem Flagship-IPA, haben wir so ein komplexes Hopfenprofil hinbekommen.
Sie haben ein Alt für Köln gebraut — aber nicht in Köln.
Manche hatten tatsächlich kein Verständnis dafür, als Kölner Alt zu brauenKevin Kader
Wie kommt das?
Wir sind eine sogenannte Kuckucksbrauerei, wir haben noch keinen eigenen Ort, wo wir unsere Sude umsetzen. Wir mieten uns in Handwerks-Brauereien ein, wo Kapazitäten frei sind. Der erste Sud vom Alt entstand so in Bornheim-Walberberg bei der jungen Zimmermann-Brauerei.
Sie bieten auch Craftbeer-Tastings an. Sind die Teilnehmer bereit für Alt?
Ich hab das schon mal mit ins Programm genommen. Manche hatten tatsächlich kein Verständnis dafür, als Kölner Alt zu brauen. Auch verkauft sich unser Alt in Köln nicht so gut wie unsere anderen Biere. Auf einem Craftbeer-Festival außerhalb von Köln wiederum war es unser Topseller, denn der Bierstil Alt wird sonst selten in der Craftebeer-Szene aufgegriffen. Die Nerds fanden das super!
Die Kölner sind so stolz auf ihre Toleranz und Offenheit. Warum nicht beim Bier?
Bis in die 80er Jahre wurde in Köln noch häufiger Alt gebraut. Das hört man von Kölschtrinkern, die damals schon aktiv waren. Damals war auch noch das Wiess populär, aber verschwand dann. Jetzt wird es von großen Kölschbrauereien als Wiederentdeckung vermarktet. Es gibt in Köln, einer Stadt mit großer Biertradition, heute weniger Biervielfalt als früher. Auch ich schätze ein gutes Kölsch, aber den Markt beherrschen industriell geprägte Brauereien.
Das dürfte sich kaum ändern. Der Craftbeer-Trend ist doch vorbei.
Wir waren zu Spitzenzeiten bei einem Marktanteil von ein Prozent komma irgendwas. Es ist Nische. Aber es gibt eine sehr lebendige Szene. Dazu zählen ja auch nicht nur die jungen, hippen Brauereien, sondern auch die kleine bayerische Familienbrauerei, aber etwa auch Päffgen in Köln. Insgesamt aber machen Handwerksbiere kaum mehr als ein Prozent des gesamten Bierumsatzes aus. Das ist schon alarmierend, wenn’s um Geschmack geht.
Mehr Infos auf blauertapir.de und craftbeertasting.nrw