Poet der Unglücklichen: Tennessee Williams’ Einakter, Foto: Markus J. Bachmann

Die Ära der zerplatzten Träume

Mit Kurzdramen von Tennessee Williams lüftet das Freie Werkstatt Theater den Vorhang der Illusionen

Er war der Dramatiker psychologisch tief ausgeloteter Familien- und Beziehungskrisen, Poet der Unglücklichen, die mit sich selber kämpfen, einander nicht verstehen, unter gesellschaftlicher Verlogenheit leiden, an Illusionen festhalten. Angesiedelt im amerikanischen Süden der Nachkriegszeit, halfen Tennessee Williams’ Stücke wie »Endstation Sehnsucht« (1947) und »Die Katze auf dem heißen Blechdach« (1955) den Ruhm von Schauspielern wie Marlon Brando, Liz Taylor und Paul Newman zu begründen.

Er schrieb aber auch Einakter. Vier davon, nicht nur in Köln unbekannt, sind im Juni noch einmal im Untergeschoss des Freien Werk­statt Theater zu sehen, unter der Regie von Julie Grothgar, deren genaue und stimmungsvolle Arbeit seit einigen Jahren im Rheinland positiv auffällt.

Es beginnt mit Brit Purwin, die von Annanina Euling aufgefordert wird, ihre Miete zu bezahlen. Aber sie ist pleite und hasst die Wohnung, in der sie meint, Kakerlaken zu sehen. Ob es ihre Situation ist, die sie geisteskrank gemacht hat oder ob sie schon immer so war, ob es doch »nur« der Alkohol ist, wir wissen es nicht. Sven Gey stellt mehrere, von Williams’ Berufsweisheit zeugende Künstler dar, so auch den Lyriker Mister Paradise des titelgebenden Abschlussstücks, dessen Zuhause von einer enthusiastischen Leserin ausfindig gemacht wird. Durch Zufall ist sie auf sein vergessenes Werk gestoßen und will ihn aus der Versenkung holen, vor Publikum bringen, das seinen Vorträgen lauscht. Aber er will gar nicht bekannt sein, im Moment. Wie soll er sich mit seinen lyrischen Ergüssen vorkommen, wenn Kriege die Welt bestimmen. Auf dem Dudelsack spielt er »Auld Lang Syne«, die Blicke der Schauspielerinnen gehen andächtig in die Ferne.

Auch wenn mal für fünf Minuten schwer verständlich rezitiert wird und Williams’ Vorlagen ein wenig skizzenhaft daherkommen, zeigt die reizvolle Inszenierung doch die Stärke seiner gut beobachteten, sozial-realistischen Charakterisierungen und lässt an seiner Meisterschaft über das Medium wenig Zweifel. Die Konstellationen sind schauspielerisch fruchtbar. In den richtigen Händen wird aus dem Gespräch eines scheidungsreifen Ehepaars nach einer Party oder dem langersehnten Auftreten der idealistischen Leserin vor dem zurückgezogenen Romancier exquisites Theater.

Freies Werkstatt Theater, 13., 15.6., 20 Uhr; 16.6., 18 Uhr