Spurensuche: Gertrude Koch und die Edelweißpiraten

Junge Rebellen

»Edelweißpiraten« erinnert an Kölner Teenager, die sich gegen Gleichschaltung im NS-Staat auflehnten

Sie waren mutiger als die Erwachsenen. Anfangs keine Widerstands­gruppe, sondern in der Tradition der Bündischen Jugend eher als Pfadfinder zu verstehen, entwickelten sich die Edelweißpiraten in und um Köln nach und nach zu einer diffusen oppositionellen ­Organisation, für die im Dritten Reich kein Platz war und die schließ­lich gnadenlos verfolgt wurde. Anlass war zunächst ein sich aufschaukelnder Konflikt mit der Hitlerjugend. Die vielen regionalen Widerständler und Sympathisanten kannten kein Hauptquartier, trafen sich heimlich in Cafés, Parks und auf dem Lande; das machte sie für die Nazis schwer zu greifen. Ihre Flugblatt-Aktionen erinnern ein wenig an die Weiße Rose — genauso wie ihr häufig ­tragisches Ende.
In Köln wird die Erinnerung an die Bewegung hochgehalten, die noch lange nach dem Krieg als bloß kriminell galt. Eine vergangene Ausstellung des NS-Dokumentationszentrums lieferte wichtige Grundlagen für die teils szenische, teils musikalische, teils dokumentarische Spurensuche von Regisseurin Frederike Bohr in Kooperation mit der Studiobühne. Ihre Hauptfigur ist Gertrude Koch (1924-2016), die mit viel Glück
 der Gestapo aus den Fingern glitt und, verkörpert von Luise Kinner, von ihren Erlebnissen berichten kann. Historisches Foto- und Filmmaterial lässt die Zeit der ­Unterdrückung und Zerstörung lebendig werden. Das Singen von Liedern, die Veralberung von ­Nazis und strategische Überlegungen stehen historischen Einordnungen, Verhörszenen und den Einwänden einer zu recht ­besorgten Mutter gegenüber.
Gerade diese Kölner Geschich­te um Rebellion und Freiheits­liebe bietet Jugendlichen einen anderen Zugang zur deutschen Vergangenheit, erst recht, seit Möglichkeiten und Formen des Protests junge Menschen wieder mehr beschäftigen. Wissen es Erwachsene vielleicht doch nicht immer besser? Die Geschichte der Edelweißpiraten, faktenbasiert und doch politisch präsentiert, ist bei Bohr auch eine Geschichte starker Mädchen und der Verteidigung des Rechts auf gelebte ­Individualität. Der Schluss schlägt einen Bogen zu rechtsextremen Taten in der Gegenwart. Prädikat: wertvoll.

Am 30.6. findet das Edelweißpiratenfestival 2024 im Friedenspark statt.