Schadensbegrenzung
Europas wertvollste Baugrube liegt derzeit wohl vis-à-vis dem Kölner Dom. Rund 400 Mio. Euro wollten die Entwickler in das Laurenz-Carré, so der Name des Projekts, zu dem die Grube gehört, investieren. Büros mit Domblick, Wohnungen sowie Sanierung und Anbau für das denkmalgeschützte Senatshotel waren geplant — bis der Entwickler, die Düsseldorfer Gerchgroup, im vorigen November Insolvenz anmeldete. Die Finanzierung war zusammengebrochen.
Seit Sommer 2023 schon ruhen die Arbeiten auf der Baustelle. Gerchgroup-Chef Mathias Düsterdick erklärte das Projekt für »unverkäuflich« in den nächsten Jahren. Inzwischen ist es der Stadt offenbar jedoch gelungen, den Schaden zu begrenzen. Eine jahrelang brachliegenden Baugrube nahe dem Dom ist wohl abgewendet.
Für das nördliche Baufeld ist ein Kaufvertrag unterzeichnet. Mit »Hanse Merkur Grundvermögen« wird ein institutioneller Investor die Gewerbebauten realisieren, in Kooperation mit dem Kölner Bauunternehmen Bauwens. Der Investor war zuvor bereits an der Finanzierung des Laurenz-Carrés beteiligt und wurde mit der Pleite zum Hauptgläubiger. Wie der Verkauf genau abgewickelt wurde, ist unklar. Insolvenzverwalter Jens Schmidt teilt auf Anfrage nur mit, dass die Grundstücke selbst den Eigentümer gewechselt haben und damit Grunderwerbsteuer fällig werde.
Das südliche Baufeld vermarktet Schmidt getrennt. Dort ist unter anderem Wohnungsbau vorgesehen. Ein Bebauungsplan, beschlossen vom Stadtrat und damals konkretisiert in einem zusätzlichen Vertrag mit der Gerchgroup, enthält Vorgaben, etwa zu Dichte und Höhe der Bebauung und zum Anteil öffentlich geförderten Wohnungsbaus.
In der Gerchgroup hatte man sich vehement gegen die Verpflichtung gewehrt, 30 Prozent Sozialwohnungen zu bauen. Doch bis auf die FDP hielten die Ratsfraktionen daran fest. Weil seit Jahren deutlich mehr Mietpreisbindungen auslaufen als neue Sozialwohnungen entstehen, schwindet ihr Anteil insbesondere in der Innenstadt dramatisch.
Auch Normalverdiener müssen sich eine Wohnung in der Innenstadt leisten könnenMichael Frenzel (SPD)
Durch die Aufteilung des Baugebiets betrifft das nun allerdings nur noch den künftigen Eigentümer des südlichen Teils. Die entsprechenden Verträge mussten neu verhandelt werden. Der Stadtrat hatte dieses Vorgehen im April gebilligt. Laut Insolvenzverwalter war das kein Hindernis bei der Vermarktung.
Die Stadt bestätigt nun, dass man sich auch für das südliche Baufeld mit einem Interessenten geeinigt habe: The Flag ist ein Familienunternehmen aus Attendorn, Heimatstadt von Baudezernent Markus Greitemann, spezialisiert auf den Bau und Betrieb von Seniorenwohnanlagen und ähnlichen Immobilien. Ein Sprecher bestätigt gegenüber der Stadtrevue das Interesse. Zu Details will man keine Auskunft geben. Die Stadtverwaltung teilt mit, es sei ein Eckpunktepapier unterzeichnet worden, samt Verpflichtung zu Sozialem Wohnungsbau. Das belege, »dass städtische Ziele auch in diesen Zeiten von Bauträgern einzuhalten sind.« Man würde damit wie bislang sicherstellen, dass 19 der geplanten 64 Wohnungen an Mieter*innen mit Wohnberechtigungsschein gehen.
Auch die Politik hebt als Erfolg hervor, am Prinzip festgehalten zu haben. »Es gibt keinen Grund, jetzt im Laurenz-Carré anders zu verfahren, zumal die Förderbedingungen aktuell hervorragend sind«, sagt Sabine Pakulat (Grüne). Die Vorsitzende des Stadtentwicklungsausschusses nennt eine »lebendige Mischung« als Ziel. SPD-Politiker Michael Frenzel sagt: »Auch Normalverdiener müssen sich eine Wohnung in der Innenstadt leisten können«. Die FDP sieht die Lösung trotzdem woanders: »Wir müssen schneller bauen, statt uns im Klein-Klein zu verlieren. Viele Auflagen verschrecken Investoren«, so Stefanie Ruffen, Vorsitzende des Bauausschusses.
Folgt man der Linken, kommt es auf deren Kalkül an. »Wir sind nicht erstaunt, wie hart um die Sozialwohnungen gefeilscht wird«, heißt es in der Fraktion. Das gelte besonders für Entwickler von hochpreisigem Wohnen. Die Förderung sei dagegen beliebt bei Bestandshaltern, die auf langfristig gesicherte Rendite setzen.
Offenbar lassen sich aus den Turbulenzen um das Laurenz-Carré Lehren ziehen, die sich beim nächsten strauchelnden Großprojekt als wertvoll erweisen dürften.