Immer freundlich: Alexander Tschechowski vom Kinderschutzbund Köln

»Drogenkonsum ist nicht weg, weil man wegschaut«

Der Kalker Sozialraumkoordinator Alexander Tschechowski über den Umgang mit Obdachlosen und Suchtkranken

Herr Tschechowski, Sie haben mit dem Arbeitskreis Sucht- und Drogenhilfe Kalk Empfehlungen erarbeitet, wie man mit »Personen mit dem Lebensmittelpunkt Straße und Konsumverhalten« umgehen sollte. Spricht man mit jemandem, der Drogen gebraucht und obdachlos ist, anders?

Es handelt sich um eine Gruppe der Gesellschaft, die einem oft in Situationen begegnet, die als unschön wahrgenommen werden: beim Konsum, schlafend auf der Straße, manchmal auffällig. Das ist mit Unsicherheiten und Ängsten verbunden. Wir möchten auf die Situation dieser Menschen aufmerksam machen, die oft leiden, sich in prekären Lebensumständen befinden und von Ausgrenzung betroffen sind. Man sollte im Hinterkopf haben, dass da ein Mensch in einer besonderen Lage ist. Aber dass es auch ein Mensch mit Bedürfnissen, Wünschen und Sorgen ist.

Warum haben viele Menschen Berührungsängste?

Ein Grund ist Unwissenheit über Krankheitsbilder, Suchtdruck oder grundsätzlich das Leben auf der Straße. Damit einher geht Scham oder die Angst, mit Menschen in Kontakt zu treten, die ein Verhalten zeigen, das nicht sozial angepasst oder erwünscht ist. Die Reaktion, im ersten Moment auf Distanz zu gehen, wenn sich jemand auf der Straße außerhalb der Norm verhält, ist auch menschlich und nachvollziehbar. Nur sollte es dabei nicht bleiben.

Was empfehlen Sie?

Wichtig ist der Perspektivwechsel: Wir wollen Bewusstsein schaffen für Personen, denen es nicht gut geht. Ein anderer Punkt ist, mutiger zu sein und Menschen in diesen Lebenssituation als Mitmenschen zu begegnen. Wenn man jemanden freundlich anspricht, bekommt man in der Regel eine freundliche Antwort. Auch Menschen auf der Straße haben das Bedürfnis, gesehen, wertgeschätzt und respektvoll behandelt zu werden.
Es macht andersherum etwas mit einem, ignoriert oder als wertlos abgewiesen zu werden. Das führt zu Wut und Enttäuschung. Wenn eine vermeintlich hilfsbedürftige Person auf der Straße liegt, sollte man nicht drübersteigen, sondern fragen, ob sie Unterstützung braucht. Mich hat etwa kürzlich ein Apotheker aus Kalk, vor dessen Geschäft Konsum stattfindet, gefragt, was er tun kann. Der erste Schritt wäre, das Gespräch zu suchen, wie mit jedem anderen auch. Meine Erfahrung ist, dass man auf Verständnis stößt. Nicht immer, aber oft.

Und im Idealfall entsteht eine Gesellschaft, in der man stärker aufeinander achtet?

In der Lage zu sein, für das, was mich umgibt, Verantwortung zu übernehmen, hat auch mit Selbstwirksamkeitserfahrungen zu tun. Drogenkonsum gehört zur Stadtgesellschaft. Der ist nicht weg, nur weil man wegschaut.

Wenn man jemanden freundlich anspricht, bekommt man in der Regel eine freundliche AntwortAlexander Tschechowski, Sozialraumkoordinator Kalk

Tun viele Menschen nichts, weil sie nicht wissen, was sie tun könnten?

Für viele sind Begegnungen mit obdachlosen oder drogengebrauchenden Menschen Ohnmachtserfahrungen. Denen hilft es, Informationen zu bekommen, an wen sie sich wenden können. In Kalk gibt es ein gutes Hilfesystem — Streetworker, ein Kontaktcafé, bald einen Drogenkonsumraum. Das ist vielen Menschen aber nicht bekannt. Stattdessen rufen sie die Polizei oder das ­Ordnungsamt. Die sagen dann zurecht: Drogenkonsum ist keine Straftat. Das Problem sind vielmehr die Dealer.

2018 hat der Stadtrat beschlossen, dass in Kalk ein Drogenkonsumraum entstehen soll. Bis heute ist er nicht eröffnet. Gibt es Ihre Initiative auch deshalb?

Drogenkonsum und Drogenhilfe haben eine lange Tradition im Stadtteil. Das Warten auf den Drogenkonsumraum war aber ein Katalysator, sich stärker zu vernetzen. Wir haben in Kalk den Arbeitskreis Sucht- und Drogenhilfe mit den Drogenberatungsstellen von Vision e.V. und SKM Köln, aber auch der Sucht­koordination von Gesundheitsamt und Polizei gegründet und ge­schaut, was man kurzfristig tun kann. Die Handlungsempfehlungen sind ein Ergebnis dieser Arbeit. Dass das Gesundheitsamt darüber nachdenkt, sie auch am Neumarkt oder Wiener Platz einzusetzen, freut uns natürlich.

Was sind Ihre Forderungen an Politik und Verwaltung?

Der Drogenkonsumraum ist umgebaut, man sucht einen Träger. Die Hoffnung ist, dass er bis Ende des Jahres öffnet. Aber das Angebot allein wird die Probleme nicht lösen. Der Konsum sehr harter Drogen nimmt derzeit zu, damit einher gehen ein höherer Suchtdruck und eine stärkere Verwahrlosung der Menschen. Aber es gibt zum Beispiel tagsüber keine niedrigschwelligen Aufenthaltsorte. ­Deshalb liegen viele Menschen auf der Straße, weil der Konsum unglaublich anstrengend ist. Um adäquate Präventionsangebote zu schaffen, braucht es mehr Geld und Personal. Denn alles andere als eine schadensmindernde, akzeptierende Drogenpolitik wird die Probleme nur verschlimmern.

Weitere Informationen: kalk.sozialraumkoordination.koeln/was-tun.htm