Unidozent oder Auftragskiller? Glen Powell

A Killer Romance

Sind Auftragskiller die besseren Liebhaber? In Richard Linklaters Film heißt Spaß am Spiel auch Spaß am Schauspiel

Es gibt Filme, die so gut sind, dass man lange gar nicht merkt, wie gut sie wirklich sind. Weil man in der Welt, die sie für einen entwerfen, viel zu sehr zu Hause ist, als dass man viele Gedanken auf ihre brillante Konstruktion verschwenden würde. Richard Linklaters »A Killer Romance« ist so ein Film. Die Geschichte, die er erzählt, meint man so ähnlich schon tausendmal gesehen zu haben: Ein junger Mann, Gary (Glen Powell), Typ Normalo mit Hang zum Einzelgängertum, wird in eine wilde Räuberpistole um Mord, Erpressung und Eifersucht hineingezogen und entdeckt dabei an sich selbst Seiten, die er vorher nicht gekannt hatte.

Genauer gesagt entdeckt er diese neuen Seiten nicht nur, sondern gibt ihnen auch einen Namen: Wenn er sich im Auftrag der Polizei als Auftragskiller ausgibt, um potenzielle Kunden dingfest zu machen, nennt er sich Ron. Ron ist, anders als Gary, der im Hauptberuf an der Universität Philosophie und Psychologie unterrichtet, kein Normalo, sondern die Verkörperung der Fantasien derjenigen, die auf die Idee kommen, einen Auftragskiller anzuheuern. Dem Redneck mit Waffenfetisch begegnet er als tätowierter Outlaw, der mittelalten trophy wife, die sich angesichts von Eheproblemen um ihren Luxuslebensstil sorgt, als Schönling mit ins Gesicht fallenden Haarsträhnen.

Natürlich etabliert der Film die Unterscheidung Gary/Ron nur, um sie wieder kollabieren zu lassen. Und zwar, indem er Madison (Adria Arjona) ins Spiel bringt. Eine hübsche junge Frau, die sich, das wird schnell klar, darauf versteht, die Männer um den Finger zu wickeln. Die aber ihrerseits an den Falschen geraten ist: Ihren cholerischen, sie systematisch terrorisierenden Ehemann will sie dringend loswerden – und trifft sich deshalb mit Ron. Aber ist es nicht vielleicht eher Gary, der den Auftrag platzen lässt, um Madison vor dem Gefängnis zu bewahren?

Ist es per se aufre­gender, mit einem ­Auftragskiller Sex zu ­­haben als mit einem Unidozenten?

Wenn er wenig später eine Affäre mit Madison beginnt, nennt Gary sich freilich weiterhin Ron. Und stellt erstaunt fest, dass die neue Identität ihn zu einem besseren Liebhaber zu machen scheint. Nur: Hat sich wirklich etwas an ihm verändert? Oder ist es vielleicht per se aufregender, mit einem Auftragskiller Sex zu haben als mit einem Unidozenten? Freilich beginnen die Probleme erst, als die Frischverliebten das Bett verlassen und sich gemeinsam im öffentlichen Raum bewegen. Ron und Gary sind fortan nicht mehr trennscharf auseinander zu halten. Genauer gesagt taucht eine dritte Figur auf, ein schmieriger Undercover-Cop namens Jasper (Austin Amelio), der den Versuch unternimmt, die Differenz zwischen Ron und Gary zu seinem eigenen Vorteil auszubeuten.

»A Killer Romance« übersetzt die Auftragskillergeschichte nicht in einen düsteren Genrestoff und die Liebesgeschichte nicht in eine romantische Komödie, sondern beides in ein Spiel. Und zwar in eines, dessen Regeln nicht von Anfang an feststehen, sondern erst im Zuge des Spiels erfunden werden. Die Anregungen für diese Spielregeln entstammen der Geistes- und Kulturgeschichte. Mehrmals sehen wir Gary bei seinem Job an der Universität, wie er beispielsweise über Sozialkonstruktivismus doziert oder über das Freudsche Persönlichkeitsmodell. Passenderweise fressen auch seine beiden Katzen aus Näpfen mit den Aufschriften »Ich« und »Es«. Das kontrollierende Über-Ich fehlt. Wie mehr und mehr auch bei Gary/Ron.

Keine Sekunde besteht angesichts des dynamischen, vom Charme seines großartigen Hauptdarstellers getragenen Films die Gefahr, dass »A Killer Romance« sich selbst in eine dröge Unterrichtsstunde verwandeln könnte. Zudem schwingt durchweg noch eine weitere Ebene mit: Spaß am Spiel heißt hier immer auch Spaß am Schauspiel. Wenn Gary sich in die verschiedenen Inkarnationen Rons verwandelt, dann ist das, als würde er in verschiedene Filmrollen schlüpfen. In gewisser Weise hat Linklater einen Film über eine gefährdete Gattung gedreht: Filmstars haben derzeit einen schweren Stand, verschwinden tendenziell hinter den Franchises und Multiversen, die das populäre Kino der Gegenwart, oder was von ihm übrig ist, dominieren. Was dabei verlorenzugehen droht, ist eben jene spielerische, elegante Leichtigkeit, die Wunderwesen wie Gary/Ron verkörpern.

(Hit Man) USA 2023, R: Richard ­Linklater
D: Glen Powell, Adria Arjona, Austin Amelio
115 Min. Start: 4.7.