»Postkartenmotive interessieren mich nicht«
14 Jahre nach »Im Schatten« kehren Sie mit »Verbrannte Erde« in die Welt des Verbrechens zurück. Was fasziniert Sie an Ihrer Hauptfigur Trojan?
Trojan ist kein klassischer Gangster, er ist professionell, will unabhängig arbeiten, nicht Teil der organisierten Kriminalität sein. In gewisser Weise ist er auch eine Zuspitzung des modernen Freelancers, der versucht, auf eigene Rechnung sein Leben zu strukturieren, was nicht einfach ist. Und mich interessiert auch, die Arbeit von Protagonist*innen zu zeigen, in diesem Fall von professionellen Kriminellen. Das ist natürlich eine Arbeit, die stärker aufgeladen ist, als wenn jemand zu Hause am Computer sitzt. Das finde ich interessant, das hat auch ein szenisches Potenzial, das schließlich im Zentrum des Films steht: Vorbereitung, Durchführung und Nachlauf so eines Jobs möglichst konkret mit allen Details darzustellen.
Trojan wirkt wie ein altmodischer Gangster, fast wie aus der Zeit gefallen.
Sein Umfeld hat sich geändert, was Trojan vor Herausforderungen stellt. Er ist ein analoger Gangster, dessen Möglichkeiten sich durch die Digitalisierung zunehmend einschränken. Er fährt etwa ein Auto ohne Elektronik, weil die neuen Wagen extrem viele Bewegungsdaten sammeln. Das ist seine Form der Professionalität, seine Lebensversicherung. Trojan hat einen Rest Moralkodex, er ist nicht per se aggressiv, er setzt Gewalt nur ein, wenn es sein muss, im Gegensatz zu seinem Gegenspieler Viktor, der keine Hemmungen hat. Für Viktor ist Gewalt ein Werkzeug wie jedes andere auch.
Sie zeigen eine Welt voller Regeln und Codes. Haben diese mehr mit der echten Welt der Kriminalität zu tun oder mit der Welt des Kinos?
Für mich ist eine Figur wie Trojan eher eine fiktionale Setzung, die mit der Realität nur in Ausnahmen zu tun hat, die ich aber fürs Kino interessant finde. Schon bei »Im Schatten« hatte ich nicht über reale Kriminelle recherchiert, die ja doch meistens in die Kategorien Gelegenheitsdiebe, die man eher als Amateure bezeichnen muss, oder eben Organisiertes Verbrechen fallen. Trojan ist ein ganz anderer Typ. Er versucht, unabhängig zu agieren, eine gewisse Kontrolle über seine Existenz zu behalten, möglichst alle Faktoren zu bedenken. Er geht kein persönliches Verhältnis mit anderen Menschen ein, um sich zu schützen.
Ihre Produktionsfirma heißt Pickpocket, wie der berühmte Film von Robert Bresson. Einflüsse von Jean-Pierre Melville bis Michael Mann sind immer wieder zu spüren. Wie spielen Sie mit solchen Einflüssen und Bezügen?
»Verbrannte Erde« ist natürlich ein Genrefilm, da gibt es zwangsläufig Bezüge zu anderen Filmen. Aber am Ende geht es natürlich auch darum, etwas Eigenes herzustellen. Ein Genrefilm ist ja auch immer eine Verabredung mit dem Publikum, man hat eine gemeinsame Basis an vertrauten Mustern und variiert sie im besten Fall erfolgreich.
Ein Genrefilm ist immer auch eine Verabredung mit dem PublikumThomas Arslan
Wie entscheiden Sie, welche Gegenden von Berlin Sie zeigen oder auch nicht?
Touristische Orte wie der Fernsehturm sind ja nicht zu sehen. Solche Postkartenmotive abzuklappern, interessiert mich nicht. Ich versuche, mich in dieser Hinsicht selbst herauszufordern, neue Ansichten zu finden, die noch nicht zu Tode fotografiert sind. Das Finden solcher Orte ist ein paralleler Prozess zum Schreiben. Wenn ich dann mit dem Kameramann Reinhold Vorschneider oder der Szenenbildnerin Reinhild Blaschke unterwegs bin, sehen wir noch mal anders auf die Orte und finden weitere. Da spielen auch andere Faktoren eine Rolle, etwa die Frage, ob eine Szene an diesem Ort logistisch umsetzbar ist.
Die Architektur Berlins spielt wie schon in »Im Schatten« eine markante Rolle.
Das war bei »Im Schatten« gar nicht so ein explizites Thema. Bei »Verbrannte Erde« spielt die Architektur schon eine größere Rolle, da Trojan nach 14 Jahren in eine Stadt zurückkehrt, in die er eigentlich nicht mehr wollte. Da haben wir versucht, eine zugespitzte Form zu finden, die atmosphärisch zeigt, wie sich das Leben in Berlin verändert hat. Die Stadt ist teurer geworden, abweisender, unwirtlicher, gerade, wenn man nicht viel Geld hat.