Vielleicht sind anonyme Männerbands am erträglichsten: Petra Buchholz, Foto: Bert Meijerink

Punk aus der Wohlstandsblase

Die Männer-Band Petra Buchholz wettert mit packend-poppigem Punkrock gegen ihren eigenen Spießertrott

Man möchte aufstöhnen — was für ein bescheuerter Bandname! Frauen, die den nach heutigen Maßstäben biederen Vornamen Petra tragen, sind höchstwahrscheinlich späte Baby Boomer oder frühe Vertreterinnen der Generation X. So alt sind die Mitglieder von Petra Buchholz zwar noch nicht, eher so Ü40, genauere Auskünfte dazu möchten sie jedoch nicht geben, nicht einmal ihre Nachnamen verraten. »Wir sind eher alt als jung, wollen gerne anonym bleiben und gehen unterschiedlichen Jobs nach«, so Bassist Christian.

Formal handelt es sich bei dem Quintett um ein klassisches Rock- bzw. Emopunk-Outfit: Neben Bass gibt’s zwei Gitarren (Hilko und Phillip), Schlagzeug (Marcel) und Gesang (Robin). So spießig wie ihr Name sind auch die Probleme, mit denen sich die Herren so rumschlagen und die sie in ihren Songs verhandeln: »Du sagst, du kannst das echt nicht mehr, du brauchst das echt nicht mehr, immer die gleichen Worte und immer dieselben Fressen«, heißt es zum Beispiel in »Easy Jetzt«, dem zweiten Song ihres jüngst veröffentlichten ­Album-­Debüts. Der im Refrain proklamierte Ausweg steckt bereits im Songtitel: »Und irgendwo in Europa fliegt eine Easy-Jet-­Maschine und darin sitzt du.« Das ist lustig und traurig, gesellschafts- und selbstkritisch zugleich.

Es geht eben nicht — wie früher im Punk — um Agitation, Aufbegehren gegen die herrschende Klasse oder das unvermittelte Herausschreien von Hass und Wut, sondern um Befindlichkeiten aus Köln-Sülz. »Man kann ja nichts anderes machen, als über die Dinge zu singen, die einen umgeben und mit denen man im real life zu tun hat«, bestätigt Christian, »dass das dann möglicherweise Befindlichkeiten sind, liegt ja daran, dass wir halt relativ unaufgeregte Leben führen, ohne echten Struggle. Unsere Probleme sind nicht existentieller Art, sondern white people problems.«

Und so nehmen Petra Buchholz verschiedene Gitarrenrock-Spielarten ihrer Adoleszenz — sprich: Deutschpunk, poppiger Hardcore, Skate-Punk, Indie und Hamburger Schule — und vermengen diese zu einem druckvollen, stets etwas nervösen Sound, über den Sänger Robin mit keifend hoher Stimme seine Tiraden bellt. Dabei ist offenkundig, dass mit dem Zeigefinger nicht nur auf die anderen, sondern vor allem auf sich selbst gedeutet wird. »Wir müssen doch alle Montagmorgen arbeiten«, lautet dann das Fazit, oder »Wir müssen nur zwei Jahren warten, auf unseren Platz im Schrebergarten, unser Glück legt im Privaten, hier in unserem Schrebergarten.«

Das Schöne dabei ist, dass die Haltung der Band nicht selbstmitleidig daherkommt, aber auch nicht naseweis. Musik als kleine Ausflucht aus dem bürgerlichen Spießertrott? Eine Frage, die Sänger Robin ohne Vorbehalt bejaht:

»Du kannst klein gerne streichen!« Meist reiche beim Texten eine Idee, ein Satz, um darum einen Text zu bauen, erklärt Christian: »Ich schäme mich für meinen Wikipedia-Eintrag — hat mal eine Freundin ­gesagt. Der Satz trägt einen ja Text ganz alleine. Oder: Könnten Sie bitte eine zweite Kasse aufmachen?«

Die Band selbst bezeichnet ihren Stil als »Bierdosen-Indie«, vertuscht damit aber ein wenig ihren intellektuellen Hintergrund, denn eigentlich steht sie den Bands der Hamburger Schule näher als beispielswiese den Kassierern. »In ­einer Konzertankündigung in der Stadtrevue wurde mal vor ein paar Jahren geschrieben, wir würden eine Mischung aus Hamburger Schule, Emopop und Bierdosenpunk machen«, erklärt Christian, »das hat uns gut gefallen, deswegen haben wir daraus Bierdosen-Indie gemacht.«

Ihn persönlich habe aber die Hamburger Schule sehr stark geprägt: »Ich habe mit Begeisterung die Facebook-Diskussionen um diese NDR-Doku verfolgt (»Die Hamburger Schule — Musikszene zwischen Pop und Politik«, derzeit zu sehen in der ARD-Mediathek, Anm. d. Verf.) und die Kleingeistigkeit der Akteure da bewundert. Unser Hilko aber findet Tocotronic z.B. Scheiße. Er kann aber auch nicht verhindern, dass wir Tocotronic regelmäßig zitieren.«

Für Robin ist es genau die Spannung zwischen Hamburger Schule und den Kassierern, die die Haltung seiner Band ausmacht: »Wir sind alt genug und keiner kann uns mehr etwas verbieten! Das bitte nicht drucken …«. Machen wir natürlich trotzdem!

Das Album »Rainbow Road« ist bereits erschienen und kann z.B. hier gehört werden:
boomplay.com/albums/91004606