Moralisch undurchschaubar
Das Sommerloch gähnt wieder einmal laut vor sich hin — dennoch gibt es die eine oder andere filmhistorische Preziose in Köln zu bestaunen. Das Japanische Kulturinstitut zeigt eine etwas merkwürdig gestrickte Reihe mit Filmen primär aus den 60er Jahren unter dem Titel »Auf der Suche nach Verbrechern und neuen Bildern«, in der handfeste Krimis laufen (darunter Perlen von Seijun Suzuki), aber auch Werke wie Shōhei Imamuras kurios perverse Tropenkomödie »Profound Desires of the Gods« (1968), die eine Aura des moralisch Undurchschaubaren haben.
Die meiste Freude bereitet aber Nomura Yoshitarōs »Stakeout« (1958), die erste seiner zahlreichen Adaptionen von Krimis von Matsumoto Seichō, mit denen er in den 70er und 80er Jahren die einheimischen Kinokassen zum Klingeln brachte. 1958 war Matsumotos Durchbruchsjahr: Mit dem Erfolg von »Tokyo Express« wurde er zum populärliterarischen Phänomen. Gleich mehrerer Verfilmungen seiner Werke starteten in jenem Jahr. Das Japanische Kulturinstitut hat gerade Nomuras spätere Matsumoto-Adaptionen oft gezeigt (und sollte dies mal wieder tun!), dieses entscheidende Frühwerk bekommt man jedoch eher selten zu sehen.
Im Filmclub 813 wiederum erfreut vor allem der letzte Film vor der Sommerpause: Michel Langs »Her mit den kleinen Engländerinnen« (1976), dessen Darstellung überhitzter Teenagergemüter in den 80er Jahren noch schlaflose Nächte bereitete. Dabei ist Langs Debüt selbst für damalige Verhältnisse recht scheu in der Darbietung seiner designierten Schauwerte. Was den Film so bemerkenswert macht, ist die Sensibilität, mit der die Hormongeplagten in ihrem (Es-)Treiben(-Wollen) gezeigt werden. Lang gehörte zur letzten Generation des industriellen französischen Kinos, dessen handwerkliche Werte hier noch einmal selbstvergessen strahlen.
Als drittes und letztes sei noch auf Gillo Pontecorvos spektakuläres Revolutions- und Actionlehrstück »Queimada« (1969) im alle(r)weltskino hingewiesen, in dem anhand des späten Sklavenhandels gezeigt wird, wie das so ist mit dem Kapital und der Moral — vor allem, wenn Marlon Brando einen Söldner gibt! Wer macht so etwas heute noch: linkes Kino mit großer Starstrahlkraft und massivem Budget, das die Massen mit Spannung erfreut und auch noch klüger macht?
Infos: jki.de, filmclub-813.de, allerweltskino.de