Ein kleines Stück vom Kuchen
Eine Liebesgeschichte, die von spätem Glück erzählt. Die 70-jährige Mahin lebt seit dem Tod ihres Mannes vor drei Dekaden alleine in einem kleinen Haus in einem Vorort von Teheran. Morgens steht sie spät auf, kümmert sich um ihren Garten, abends schaut sie Schmonzetten im Fernsehen und weint dabei, wenn sie nicht mit ihrer Tochter im fernen Europa telefoniert oder ihre betagten Freundinnen zu einem der seltenen Besuche aufschlagen und sie sich über ihr Lieblingsthema unterhalten: Männer.
Als sie wie so oft ins Rentnerrestaurant geht, fällt ihr eines Tages am Nachbartisch der gleichaltrige Esmail auf. Er ist Taxifahrer und sie lässt sich von ihm nach Hause bringen, noch im Auto flirtet sie mit ihm, bittet ihn schließlich sogar zu sich hinein. Dort bietet sie ihm selbstgemachten Wein und Kuchen an. Da begegnen sich zwei einsame Herzen und für einen kurzen, unvergesslichen Abend scheint alles möglich, wie in einer der von Mahin so geliebten Seifenopern.
Der Spielfilm von Maryam Moghaddam und Behtash Sanaeeha erzählt eindringlich und tragikomisch von privaten Sehnsüchten, ist aber auch ein Porträt weiblicher Solidarität in der iranischen Gesellschaft, in der Frauen eben nicht 24 Stunden am Tag Hidschab tragen und es kleine Akte des Widerständigen im Alltag gibt. In einer Szene wird Mahin Zeugin, wie die Sittenpolizei im Park mehrere Frauen verhaftet, weil sie ihr Kopfhaar nicht sittenkorrekt bedeckt haben. Sie redet auf den Beamten ein und tatsächlich gelingt es ihr, dass zumindest eine junge Frau nicht in den Polizeiwagen steigen muss. Mahin ermuntert sie zur Zivilcourage: »Je unterwürfiger du bist, desto mehr unterdrücken sie dich.«
Die resolute alte Frau macht es vor, in der Art, wie sie ihr eigenständiges Leben führt, immer wieder sanft gegen die Regeln des Mullahregimes verstoßend. Auch von einer misstrauischen Nachbarin, die am Abend plötzlich vor der Tür steht, lässt sie sich nicht einschüchtern. Das Regieduo, das bereits mit »Ballade von der weißen Kuh« das Aufbegehren gegen den iranischen Unrechtsstaat aus weiblicher Perspektive gezeigt hat, wurde zur Weltpremiere von »Ein kleines Stück Kuchen« auf der Berlinale mit einem Ausreiseverbot belegt. So viel Freimut und subversiver Witz kann in den Augen des zunehmend hilflos agierenden misogynen Regimes nur suspekt sein. Für alle anderen ist es ein Hoffnungsschimmer.
(Keyke mahboobe man) IR/F/S/D 2024, R: Maryam Moghaddam, Behtash Sanaeeha, D: Lily Farhadpour, Esmail Mehrabi, Mohammad Heidari, 97 Min. Start: 11.7.