»Weiße Flecken« von Lene Albrecht
»Seit meiner Ankunft wurde ich jeden Tag ein Stück weißer.« Als ihre Professorin sie fragt, sagt Ellen zu, in Togo Interviews zu Fluchtursachen zu führen, doch mehr als über die Einheimischen erfährt sie in Lene Albrechts Roman »Weiße Flecken« über sich selbst und über Deutschland, von der aus Sinsheim abgeschobenen Schneiderin Amina zum Beispiel. Eine niederländische Anthropologin, selbst Schwarz, erzählt Ellen von der ghanaischen Cape Coast, wo für die transatlantische Verschiffung einst afrikanische Sklaven in einem Gefängnis gehalten wurden, hinter der »Door of no Return«. Erinnerungssplitter blinken auf, an die rassistischen Weißen Kollegen von Ellens Freundin Mascha, die in einer Geflüchtetenunterkunft arbeitete, an die Geschichte von Ellens afropanamaischer Urgroßmutter. Zum stärksten Bild des Romans werden die Schatten von Ellen und ihrem Guide auf dem Friedhof, auf dem auch deutsche Kolonialisten begraben sind: »Zwei seltsam verzerrte Gestalten ohne sichtbares Geschlecht und Hautfarbe«. Identitäten sind Fiktionen, aber äußerst wirksame, und wie komplex verwoben mit ökonomischen Verhältnissen sie historisch geworden sind, erkundet der Roman, ohne immer schon alles über Critical Whiteness zu wissen.
S. Fischer, 224 Seiten, 24 Euro