»Die Zukunft der Wahrheit« von Werner Herzog
»In meinem Arbeitsleben hat sich immer eine zentrale Frage gestellt, die der Wahrheit. Ich habe mich stets vehement gegen den Irrglauben gestellt, dass Fakten mit Wahrheit identisch sind«, schreibt Werner Herzog, der in seinen Filmen die menschliche Existenz in den entlegensten Winkeln der Welt erforscht hat. Man kennt seine tiefste Überzeugung, dass man »nur durch Stilisierung, Erfindung, Poesie und Fantasie, eine tiefere Schicht von Wahrheit« erkunden kann und das tut er in den elf mäandernden und autobiografisch gefärbten Kapiteln seines Essaybändchens »Die Zukunft der Wahrheit« auf das allerherzoglichste. Munter hüpft er von den Möglichkeiten der KI zu einem Schwein in Palermo, das jahrelang in einem Schacht feststeckte, dann rüber zur Fotografie. Er findet die Wahrheit in Gefühlen und sogar in japanischen Agenturen, bei denen man Freunde und Angehörige mieten kann. Auch historische Fake News von Ramses II. über Nero bis hin zu den Potemkinschen Dörfern werden auf ihre verborgene »ekstatische Wahrheit« hin untersucht. Jungen Filmemachern, die ihn um Rat fragen, hämmert der 81-jährigeHerzog ein: »Lest, lest, lest, lest, lest. Lest.« Dieses erratische Bändchen ist bestimmt kein schlechter Anfang.
Carl Hanser Verlag, 112 Seiten, 22 Euro