Gesundheitsschutz ausgebremst
Wäre es nach Ascan Egerer gegangen, würde auf der Luxemburger Straße heute Tempo 30 gelten. Mitte Juni hatte der Verkehrsdezernent angeordnet, auf knapp zwei Kilometern der vierspurigen Ausfallstraße in Sülz die Höchstgeschwindigkeit herabzusetzen. Doch die Bezirksregierung kippte die Maßnahme nur Tage später. Ihr fehlten aktuelle Lärmschutzgutachten, die belegen, dass es an der Straße zu laut sei.
Dominik Kerl war von Egerers Vorstoß positiv überrascht. Der Anwohner ist Mitglied der Initiative »Lebenswerte Lux«, die sich für Verkehrssicherheit und Aufenthaltsqualität einsetzt. Eine ihrer Forderungen ist Schutz vor Verkehrslärm. Das Umgebungslärmportal NRW weist die Straße als weit überdurchschnittlich laut aus. Vor zwei Jahren haben rund 60 Anwohner deshalb sogenannte Lärmanträge bei der Stadt eingereicht. »Das ist erst mal ein unverbindlicher Antrag: Prüft doch bitte lärmmindernde Maßnahmen«, so Kerl. »Wir haben aber gleich gesagt: Wenn nichts passiert, kommen Klagen.«
Grundlage dafür ist das Bundes-Immissionsschutzgesetz. Es legt Grenzwerte fest, um Menschen vor Lärm und dessen gesundheitlichen Folgen zu schützen. Sind Straßen zu laut, können Anwohner auf Lärmminderung klagen. Als effektivste Maßnahme für mehr Ruhe gilt Tempo 30. Zehnmal war die Stadt Köln bislang in solchen Fällen Beklagte. Zehnmal verlor sie. Doch ist eine Klage erfolgreich, wurde Tempo 30 bislang nur in einem Bereich von wenigen hundert Meter eingeführt. Dort, wo der Kläger wohnt.
Auch Lebenswerte Lux klagte, nachdem weder Stadtverwaltung noch Politik auf ihre Anträge reagierte. Allerdings mit einem Kniff: Die Wohnorte von mehreren Klägerinnen und Kläger verteilen sich im Abstand von jeweils 300 oder 400 Metern. Das erhöhte den Druck auf die Stadt Köln. Verkehrsdezernat und Rechtsamt entschlossen sich deshalb, Tempo 30 zur »Gefahrenabwehr« einzuführen, bevor sie erneut vor Gericht dazu verdonnert würden. Die Lärmschutzgutachten wollte man zeitgleich einholen. »Wir haben das Vorgehen des Verkehrsdezernats begrüßt«, sagt Kerl.
Teile der Politik sahen das anders. Die FDP griff in einer Aktuellen Stunde der Ratssitzung Ende Juni vor allem Egerer an. Der habe »die Politik übergangen« und »gegen geltendes Recht verstoßen«, so FDP-Politiker Ralph Sterck. Auch die CDU kritisierte Egerer. Dominik Kerl war enttäuscht von der Debatte, sie sei dem Problem nicht gerecht geworden, sagt er. Man habe von den Fraktionen, die nun den Verkehrsdezernenten angehen, keine Vorschläge zum Gesundheitsschutz der Anwohner gehört, so Kerl. Vielmehr habe die Stadtpolitik verschlafen, das Recht von Menschen auf Lärmschutz zu sichern.
Für Dominik Kerl geht es um mehr als Ruhe vor der eigenen Haustür. »Die Luxemburger Straße steht nur für eine von vielen Straßen«, sagt er. Nach dem neuen Lärmaktionsplan sei die Hälfte der Kölner von Straßenverkehrslärm betroffen. Die Initiative wünscht sich deshalb ein proaktives Vorgehen der Stadt zum Gesundheitsschutz, damit nicht nur Menschen zu ihrem Recht kommen, die klagen können und wollen.
Während die Stadt Köln angekündigt hat, die Lärmschutzgutachten für die Luxemburger Straße einzuholen, sind vor dem Verwaltungsgericht weiter die Klagen der sechs Anwohnerinnen und Anwohner anhängig. »Die Frage ist, ob erst die Gutachten kommen oder das Verfahren«, sagt Dominik Kerl von Lebenswerte Lux. Das Ergebnis werde aber dasselbe sein: »Tempo 30 auf der Luxemburger kommt.«