Probleme im Haushalt
Der Stadt Köln fehlt das Geld, und Stadtkämmerin Dörte Diemert sieht sich derart vor Probleme gestellt, dass sie den Haushalt für 2025 und 2026 verspätet einbringen wird. Eigentlich geschieht das nach der Sommerpause. Die Politik hat dann genug Zeit hat, sich über Etats zu einigen. Im Juni aber hieß es, der Zeitplan werde »aktualisiert«; es braucht offenbar Zeit, um Ideen zu finden, wie die Stadt finanziell noch über die Runden kommen kann.
Viele kommunale Haushalte sind von den Nachwirkungen der Corona-Pandemie und Folgen des Angriffskriegs auf die Ukraine belastet, hinzu treten steigende Sozialausgaben und erhöhte Personalkosten nach den Tarifabschlüssen. In Köln kommen insbesondere Kosten für die Schulen und städtischen Kliniken hinzu. Obwohl es »Steuereinnahmen auf sehr hohem Niveau« gebe, so die Stadt Köln, gleiche dies nicht annähernd diese Kostensteigerungen aus. Es bedürfe »grundlegender struktureller Veränderungen« bei Einnahmen und Ausgaben und einer »verstärkten Aufgabenkritik und Prioritätensetzung«, so Diemert.
Während das Ratsbündnis von Grünen, CDU und Volt daher die Verzögerung akzeptiert, sorgt sich SPD-Fraktionschef Christian Joisten: Viele Institutionen im sozialen Bereich, etwa in Jugend- und Bürgerzentren, verunsichere das, weil Stellen und Projekte oft nur bis Jahresende finanziert sind. »Die Kämmerin muss dringend klären, wie damit umgegangen wird — dort kann man nicht erst am 31. Dezember Bescheid wissen, wie es weitergeht.« Keinesfalls dürfe bei der Jugendhilfe oder im Sport gespart werden, fordert Joisten. »Für die Bildung und Entwicklung junger Menschen in den Veedeln darf es nicht weniger, sondern muss es mehr Angebote geben.«
Die 14 Kölner Bürgerzentren erhalten Zuschüsse von der Stadt, außerdem Fördergelder von Land, Bund und EU. Aber den Großteil erwirtschaften sie mit Cafés und Vermietungen. Manchmal stelle man Räume auch bereit, so Jonathan Sieger vom BüZe Ehrenfeld, etwa für ein Umsonstcafé und einen Umsonstladen, den Geflüchtete und Senioren aus dem Veedel besuchen. »Der südamerikanischen Diaspora haben wir einen Raum kostenlos zur Verfügung gestellt. Sie wollten sich über die politischen Entwicklungen in ihrer Heimat austauschen, 300 Leute waren gekommen.« Sollten Bürgerhäuser weniger Geld erhalten, so Sieger, »müssen wir solventen Mietern den Vorzug geben.« Wenn Bürgerzentren aber überwiegend als kommerzielle Raumvermieter agieren, sind sie kaum mehr soziale Einrichtungen — und Fördergelder bekämen sie wohl nicht mehr. Allenthalben wolle man der zunehmenden Einsamkeit begegnen. »Aber nun sind diese Treffpunkte massiv bedroht.«
Man sei »fassungslos«, dass an Bürgerzentren gespart werden könne, sagt auch Heinke Groll vom BüZe Engelshof in Porz. »Wir unterstützen Jugendliche bei Berufswahl und Bewerbungen. Wenn in einem Viertel wie unserem weniger Jugendarbeit stattfindet, hat das für die Gesellschaft langfristige Folgen.« Mehr Geld selbst zu erwirtschaften, sei auch keine Option. »Wenn wir die Preise erhöhen, können es sich die Menschen im Viertel nicht mehr leisten, bei uns etwa eine Kommunionsfeier auszurichten.«
Wenn in einem Viertel wie unserem weniger Jugendarbeit stattfindet, hat das für die Gesellschaft langfristige FolgenHeinke Groll, Büze Engelshof
Auch im queeren Jugendzentrum »anyway« im Belgischen Viertel sorgt man sich. »Es ist für uns wichtig, dass wir für unsere Angebote eine gesicherte, langfristige Finanzierung erhalten«, sagt Geschäftsführer Jürgen Piger. Bislang habe man immer im Kontakt zu den jugendpolitischen Sprechern der Fraktionen gestanden. »Aber die sagten uns unisono, wir müssten jetzt auch mit den Fraktionsspitzen und finanzpolitischen Sprechern reden, um Unterstützung zu erhalten.« Die Träger müssten für den Erhalt der Projekte kämpfen, so Piger. Das halte von der eigentlichen Arbeit ab. Mitunter habe er auch den Eindruck, dass die Politik zu wenig mutig sei, schlecht laufende Angebote einzustellen und dafür innovative Projekte zu stärken.
Auch Akteure der freien Kunst- und Kulturszene demonstrierten bereits im Juni vor dem Rathaus. »Ich befürchte, dass die freie Szene nicht verschont bleibt«, sagt Bettina Fischer, Leiterin des Literaturhauses und Vorstand beim KulturNetzKöln. Die freie Szene sei unabdingbar für das kulturelle Leben der Stadt, erhalte aber bloß fünf Prozent des Kulturetats. Kürzungen könne man nicht verkraften. »Weil die Leitungsposition und zwei weitere wichtige Stellen im Kulturamt nicht besetzt sind, gibt es niemanden, der sich schützend vor die freie Szene stellt.« Es scheint, dass die Kölner Politik bald zahlreiche Gesprächsanfragen erhalten wird.