Überraschende Kehrtwende
Die Hängepartie um das Otto-Langen-Quartier im Mülheimer Süden scheint ein Ende zu finden. Während Grüne und CDU eine »gemeinwohlorientierte Entwicklung« nun »auf den Weg gebracht« sehen, sprechen andere vom »politischen Debakel«. Der Stadtentwicklungsausschuss stimmte im Juni gegen die Stimme der Linken und bei Enthaltung von Volt der Vorlage des Baudezernenten Markus Greitemann zu: Der entscheidende Teil des Quartiers, noch im Besitz des Landes NRW, wird über ein zweistufiges Verkaufsverfahren an einen Investor vergeben. Im Herbst werden in einem ersten Schritt die drei besten Konzepte von einer Jury ausgewählt, dann bekommt der Meistbietende den Zuschlag.
Damit haben Grüne und CDU eine Kehrtwende vollzogen. Die gesamte Kölner Politik plädierte bislang dafür, das Areal im Direktkauf zu erwerben, um dort eine gemeinwohlorientierte Entwicklung mit günstigen Wohnungen, Handwerks- und Kreativbetrieben, soziokulturellen und Bildungsangeboten einzuleiten. Dafür hatte die Stadt 2021 ihr Vorkaufsrecht für den vorderen Teil des Geländes geltend gemacht und an der Deutz-Mülheimer-Straße die ehemalige KHD-Hauptverwaltung erworben. Wegen »baulicher Abhängigkeiten« könne das Gelände nur im Ganzen entwickelt werden, heißt es allenthalben. Wie also weiter?
Durch eine Gesetzesänderung der schwarz-grünen Landesregierung stand nun die Möglichkeit im Raum, dass die Stadt das andere Areal im Besitz des Landes im Direktverkauf erhält. So interpretierten jedenfalls viele eine Gesetzesänderung auf Initiative der Grünen im Land. Doch NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU) verwies darauf, dass dafür das Grundstück für einen »kommunalen Zweck« oder ausschließlich für öffentlich geförderten Wohnraum genutzt werden müsse. Die Ministerin sah das in den Kölner Plänen nicht gegeben.
Christiane Martin, Fraktionschefin der Grünen, sagt, man habe in vielen Gesprächen versucht, einen Weg zu ebnen. »Aber das Land wollte es nicht.« Sie hält daher die jetzige Entscheidung für eine »gute pragmatische Lösung, damit es endlich auf dem Gelände vorangeht.« Zudem werde ja weiter Gemeinnützigkeit angestrebt. »Im ersten Schritt kommt beim Verkaufsverfahren das beste Konzept zum Tragen — falls das nicht überzeugt, bleibt immer noch die Möglichkeit, zu intervenieren.« Martin ist »nicht pessimistisch, dafür dann politische Mehrheiten zu finden«.
Dass Investoren für das Gelände Schlange stehen werden, glaubt niemand
Baudezernent Markus Greitemann hatte stets die jetzige Variante gefordert. Das Gelände selbst zu entwickeln, sei zu aufwändig: Denkmalschutz, kontaminierte Böden, Nähe zum Rhein, Gebäude in schlechtem Zustand. Freilich muss sich auch ein Investor diesen Anforderungen stellen. Dass Investoren Schlange stehen werden, glaubt niemand.
Michael Weisenstein (Linke) kritisiert Grüne, CDU und SPD wegen ihrer Entscheidung. Sie würden »unkritisch dem Baudezernenten hinterhertappen«, sagt er. Dabei hätten noch im Februar alle Fraktionen für einen Direkterwerb gestimmt. Man sei vor der Bauministerin eingeknickt, und Greitemann habe nicht versucht, einen kommunalen Zweck nachdrücklich geltend zu machen. »Auch eine Ansiedlung von AWB, Rheinenergie oder Ausbildungsbetrieben wäre ein kommunaler Zweck gewesen«, so Weisenstein. »Jetzt wird der Investor schauen, wie er möglichst viel Rendite aus dem Grundstück holt. Was soll das mit Gemeinwohl zu tun haben?«
Die Volt-Fraktion, Partner von CDU und Grünen, enthielt sich. Aber Volt-Politikerin Isabella Venturini ist verärgert. »Die Vorlage bringt nicht das, wofür wir uns jahrelang eingesetzt haben: Gemeinwohlorientierung«, sagt sie. »Ein privater Investor handelt gewinnorientiert. Die Fraktionen, die nun der Ausschreibung zugestimmt haben, damit es auf dem Gelände vorangeht, sollten eingestehen, dass eine gemeinwohlorientierte Entwicklung nicht möglich sein wird.«
Was passiert nun mit der bereits gekauften KHD-Hauptverwaltung? Zwei Bewerber rangeln um eine Zwischennutzung, um ihre Ideen von Gemeinwohl umzusetzen (siehe Stadtrevue 6/2024). Doch kursieren derweil Befürchtungen, dass die Stadt die ehemalige Hauptverwaltung dann aufgrund besagter »baulicher Abhängigkeiten« wieder verkaufen müsse — und zwar an den Investor, der im Verkaufsverfahren das Rennen macht. Die Stadt werde das Gebäude behalten und dort die Initiativen unterbringen, hält Christiane Martin von den Grünen dagegen. »Zudem bringt uns der Besitz des Gebäudes zumindest nicht in eine schlechtere Position, wenn es darum geht, eine Gemeinwohlorientierung auf dem gesamten Areal zu schaffen.«