Opfer der Politik: Arienne Mandi

Tatami

Das Regieduo Zar Amir Ebrahimi und Guy Nattiv zeigt packend, dass Sport und Politik kaum zu trennen sind

Die iranische Profi-Judoka Leila hat sich für die Weltmeisterschaften im georgischen Tiflis qualifiziert. Zusammen mit ihrer Trainerin Maryam und dem Frauenteam ist sie angereist und gewinnt bald einen Zweikampf nach dem anderen. Auf dem Weg zur Goldmedaille zeichnet sich ab, dass sie möglicherweise gegen eine Konkurrentin aus Israel antreten muss. Das Regime in Teheran ist alarmiert und setzt seine Spitzensportlerin unter Druck. Um eine mögliche Niederlage gegen den größten Feind des Landes zu verhindern, soll Leila eine Verletzung vortäuschen und vor dem Wettkampf freiwillig ausscheiden. Als sie sich der Order von ganz oben verweigert, steht damit nicht nur ihre Existenz und die ihrer Familie auf dem Spiel.

»Tatami« ist inspiriert von realen Sportler*innen aus dem Iran, die sich in den vergangenen Jahren mehrfach über Verbote des Mullah-Regimes hinwegsetzten und damit viel riskierten. Die Entstehungsgeschichte des Spielfilms selbst ist nicht minder spannend: Es ist die erste Produktion, bei der ein Israeli und eine Iranerin zusammen Regie geführt haben. Der in Los Angeles lebende Guy Nattiv, dessen Porträt »Golda — Israels ­eiserne Lady« über die ehemalige Ministerpräsidentin Golda Meir Ende Mai in den deutschen Kinos angelaufen ist, hat gemeinsam mit Zar Amir inszeniert, die als Hauptdarstellerin von »Holy Spider« 2022 in Cannes ausgezeichnet wurde und hier ihr Regiedebüt gibt (und als Trainerin selbst vor der Kamera steht).

In klaustrophobischen Schwarzweißbildern hält Kameramann Todd Martin den Mikrokosmos im Sportpalast von Tiflis wie ein Kammerspiel fest. Dabei ist »Tatami« zugleich ein Sportdrama mit beeindruckend inszenierten Judokämpfen und ein politischer Thriller um strukturelle Unterdrückung, individuelle Freiheit und persönliche Verantwortung. Gerade im Sommer von Fußball-EM und Olympischen Spielen, sowie den Konflikten im Nahen Osten, in der Ukraine und dem Antisemitismus weltweit, machen Nattiv und Amir einmal mehr deutlich, wie schwer sich Sport und Politik trennen lassen. Und wie wichtig eine klare Haltung ist, gerade jetzt. Die fast unmöglich scheinende Kollaboration eines israelisch-iranischen Regieduos stimmt da zumindest hoffnungsvoll, über alle Grabenkämpfe hinweg.

GE/USA 2023, R: Zar Amir Ebrahimi, Guy Nattiv D: Arienne Mandi, Zar Amir, Jaime Ray Newman, 105 Min. Start: 1.8.