»Ich schreibe unbewusst«
In deinem Film macht Gretchen — gespielt von Hunter Schafer —, mit ihren Eltern Urlaub in den Alpen und wird plötzlich von einer sinistren Erscheinung verfolgt. Was würdest du Leuten sagen, die sich »Cuckoo« nicht ansehen, weil sie keine Horrorfilme mögen?
Ich würde sagen, »Cuckoo« ist gruselig, aber kein klassischer Horrorfilm. Mir wird zumindest gesagt, dass einige Momente sehr gruselig sind, aber es ist nicht das, was Leute erwarten, wenn sie an Horrorfilme denken. Dafür ist er ein guter Film für ein Date, weil er so stark die Geschmäcker polarisiert. Bei »Cuckoo« kannst du direkt herausfinden, ob dein Date das richtige ist. Entweder gefällt dir der Film, aber deinem Date nicht, dann müsst ihr es leider schon da beenden. Oder ihr liebt — oder hasst — den Film gemeinsam, dann bleibt ihr für immer zusammen. Ich würde sagen, geht auf jeden Fall mal hinein.
Dein Film vermischt unter anderem Tierhorror mit Motiven des italienischen Giallo. Er wirkt heterogen, manchmal fast ein wenig sprunghaft. War das Absicht?
Ich bin kein Meister im Schreiben. Ich nehme mir viel Zeit, strukturiere und konzipiere viel. Trotzdem schreibe ich zum großen Teil unbewusst. Ich forme unbewusst einen Faden, einen emotionalen Plot, dem der Film folgt. Dass sich die Genres abwechseln, gefällt mir. Das weist darauf hin, dass unter dem Sprunghaften etwas Anderes liegt, das die verschiedenen Motive zusammenhält: ein konkretes Gefühl. Es hat irgendwas mit Liebe, Hass, Gewalt und transgenerationaler Weitergabe zu tun. Ich kann es kaum in Worte fassen. Aber ich fühle es ganz stark, wenn ich den Film sehe.
Findest du den Kern eines Films erst im Prozess?
Der Prozess ist wie eine Detektivarbeit. Man geht einer Spur nach — das ist für mich die künstlerische Arbeit. Ich bin meistens genervt oder gelangweilt, wenn ich merke, dass mir irgendwer etwas erzählen will, ohne sich dabei selbst zu überraschen.
Etwas Böses schleicht sich von außen ein, will hinein. Jemand ist nicht, was er oder sie vorgibt. Das zieht sich wirklich durch alles, was ich geschrieben habe
Was war bei diesem Projekt die Spur, der du gefolgt bist?
Ich war in der Tonmischung für meinen ersten Film »Luz« — der als studentische Arbeit an der Kölner Kunsthochschule für Medien entstand — und war überzeugt davon, dass sich niemand für diesen Film interessieren würde. Ich war wahnsinnig depressiv, hatte tägliche Panikattacken. Aber ich hatte auch einen großen Antrieb. Wenn ich so ein ambivalentes Grundgefühl habe, schaffen es beliebige Sachen, Gefühle, die in mir sind, nach außen zu kommen. Und dann entdecke ich etwas, was ich das »opening secret« nenne: Etwas interessiert mich, wirft das erste Geheimnis der Geschichte auf, und diesem muss ich dann nachgehen. In dieser schweren Zeit sah ich mir also irgendwann zufällig eine BBC-Dokumentation von David Attenborough über den Kuckuck an und wie dieser die Nester anderer Vögel infiltriert. Ich wusste, dass der Kuckuck seine Küken von anderen Vogelarten aufziehen lässt. Aber dieses Bild von kleinen Vögeln, Wirtseltern, die das Nest nicht mehr verlassen, um ein Kuckuck-Küken großzuziehen, das größer ist, als sie selbst — das ließ mich plötzlich nicht mehr los.
Was interessiert dich so am Motiv des Parasitären, am Eindringen eines Fremdkörpers?
Ja, das ist ein Leitmotiv von mir: Etwas Böses schleicht sich von außen ein, will hinein. Jemand ist nicht, was er oder sie vorgibt. Das zieht sich wirklich durch alles, was ich geschrieben habe. Warum mich das so interessiert? Ich weiß es nicht genau. Im echten Leben löst es jedenfalls eine extreme Angst in mir aus, wenn ich feststelle, dass ich belogen werde, wenn Leute nicht das sind, was sie vorgeben. Vielleicht braucht es noch ein paar Skripts, bis ich herausfinde, warum mir das so einen Schrecken einjagt.
Du schreibst gerade an deinem nächsten Projekt. Kannst du schon ein bisschen etwas darüber verraten?
Was ich gerade schreibe, wird wieder eine Genre-Mix und soll im Nordwesten der USA spielen, vielleicht in Alaska oder Washington. Dort, wo es das Meer und Wälder gibt.