Helle Freude
»Mich hat schon als Kind, in der Schule, interessiert, wie Dinge aussehen, was sie für eine Oberfläche besitzen. Ich habe mir die Dinge gerne lange angeschaut«: Die Künstlerin Johanna von Monkiewitsch nennt das einen Spleen, den sie bis heute habe. Diesen Einblick in ihre Gedanken, die durchaus grundlegend für ihr Werk sind, gewährt sie uns bei einem Gespräch in ihrem Stadt-Atelier im Belgischen Viertel. Außerdem betreibt sie noch ein Atelier auf einem Hof im Sauerland, wo sie nicht auf Sauberkeit achten muss. Dort entstehen aus Beton faszinierend simple Reliefs. Dabei handelt es sich um recht leise Arbeiten, die mal wie ein Bild an der Wand hängen oder im Raum als Plastik stehen oder liegen. Steinplatten unterschiedlicher Textur, an deren Kanten sich das Licht bricht: Doch nicht alles, was hier einen Schatten wirft, wirft ihn tatsächlich. Bereits im Produktionsprozess färbt die 1979 in Rom geborene Künstlerin den Stein ein und erzeugt dabei täuschend echte Schatten. Diese »ewigen Schatten« stellen dabei die exakten Lichtbedingungen zum Zeitpunkt ihrer Produktion dar.
Das gelingt so gut, so nahtlos, dass von Monkiewitsch selbst in ihrem Atelier die Hand gegen die verschiedenen Betonplatten halten muss, um zu prüfen, welche schon behandelt und welche noch nicht pigmentiert sind. Bei einem konzentrierten Blick fällt auf, wie sich der falsche und der richtige Schatten überlagern, wie sie sich konterkarieren oder unterstreichen. Dieses Spiel mit der optischen Wahrnehmung ist ein wiederkehrendes Motiv im vielgestaltigen Werk der Kölner Künstlerin. Das demonstriert auch eine aktuelle Ausstellung im Dürener Leopold-Hoesch-Museum.
Auch wenn »Was der Fall ist.« nicht als Retrospektive gedacht ist, kommen hier gleich verschiedene Medien und Werkgruppen aus den letzten anderthalb Jahrzehnten zusammen. Der erste Teil der Ausstellung gehört großformatigen Fotografiearbeiten. Pastellige oder knallige Farbverläufe, oftmals durch eine horizontale Kante in zwei Flächen geteilt — es sind Aufnahmen von aufgeschlagenen Büchern, die in ihrer formalen Aufteilung wie abstrahierte oder verfremdete Landschaftsgemälde wirken.
Wenn man will, findet man noch weitere Referenzen aus der Kunstgeschichte: Der Pigmentdruck ermöglicht intensive Rot-Töne, die Erinnerungen an Mark Rothko wecken. Man bewegt sich weiter durch eine Reihe Fotografien, darunter auch die sogenannten »Black Pages«, die Detailaufnahmen von Knicken oder Ausrisse von Heftklammern in und auf schwarzem Papier zeigen.
Pastellige oder knallige Farbverläufe, oftmals durch eine horizontale Kante in zwei Flächen geteilt — es sind Aufnahmen von aufgeschlagenen Büchern, die bisweilen wie abstrahierte oder verfremdete Landschaftsgemälde wirken
Genauso wie die Betonprofile geht ihnen jede Unruhe und Aufgeregtheit ab. Es sind, so sagt von Monkiewitsch selbst, fast schon kontemplative Arbeiten, die zum Anschauen, Verweilen, Studieren einladen. Hat man sich sattgesehen, fallen im nächsten Schritt neue Details auf: Die Fotografien werden nach dem Druck gefalzt, gewinnen dadurch eine räumliche Komponente, was der Kölner Künstlerin wichtig ist. Obwohl sie mittlerweile mit anderen Gattungen und Medien wie eben dem Foto, der Leinwand und dem Beamer arbeitet, hat sie bis 2007 bei Heinz-Günter Prager in Braunschweig Bildhauerei studiert — und versteht sich auch heute noch als Bildhauerin.
Deutlich wird das im zweiten Teil der Schau, wo Volumen aus Schaumstoff und Folie im Raum stehen und mit Beamern bestrahlt werden. Links steht förmlich ein Lichtkegel auf der Skulptur, in der Mitte des Museumraums liegt eine matratzenähnliche Konstruktion. Sie wird von der Seite angestrahlt und wirft eine Silhouette an die Wand — auch hier meint man den Horizont eines Geländes zu erkennen.
In Düren lässt sich noch so viel mehr entdecken: Eine fast unsichtbare Projektion gleich neben einem großen Fenster genauso wie eine Leinwand, die sich unter der Einwirkung von der Sonne verfärbt hat — fast immer geht es von Monkiewitsch um das Einfangen einer Lichtstimmung, was sich auch in ihren Titeln widerspiegelt. Die Werke verweisen mit ihrem Namen dann entweder auf das Entstehungsdatum (»15.04.2015 / 12:59«) oder den Ort (etwa »Tel Aviv«). Das klingt gewiss nach Konzeptkunst, aber es ist bei all dem eingefangenen und konservierten Licht ein Leichtes, in Johanna von Monkiewitsch eine insgeheime Nachfolgerin des Impressionismus zu erkennen.
Leopold-Hoesch-Museum, Hoeschplatz 1, 52349 Düren
Johanna von Monkiewitsch, »Was der Fall ist.«
bis 8.9.; Di–So 10–17 Uhr, Do bis 19 Uhr