Das böse P-Wort
Lily McLeish heißt mich euphorisch in der Galerie Seippel willkommen. Die Kuratorin strahlt eine Begeisterung aus, die über die gesamte Dauer meines Besuchs im seit 2020 bestehenden Projektraum anhalten wird. Der Weg führt dabei zwangsläufig durch die Galerieräume im Erdgeschoss. So geht es nach der Begrüßung quer durch diese hindurch und mittels Aufzug in die zweite Etage im Haus der Stiftungen. Hier hat die Galerie seit 2001 ihren Sitz, gemeinsam mit vier Stiftungen.
Galerist Ralf Seippel ist kein Neuling in der Kunstszene. Bereits 1993 gründete er seine erste Galerie im Belgischen Viertel, legte einen Schwerpunkt auf südafrikanische Kunst. Entsprechend hüllt zum Zeitpunkt meines Besuchs eine Videoarbeit der Johannesburger Künstlerin Collen Alborough den kleinen Projektraum in diffuses Licht. In Stop-Motion-Ästhetik sucht eine Figur in einem alptraumhaften Szenario zwischen Baumwollresten nach ihrem Kopf. Bei dem Animationsfilm handelt es sich um ein älteres Werk von Alborough, welches an ihre zeitgleich im Erdgeschoss präsentierten Papierarbeiten und kinetischen Wandinstallationen anknüpft.
»Der Projektraum ist dem Experiment gewidmet«, erzählt McLeish. Die verantwortliche Kuratorin möchte eine Plattform für die experimentelle Praxis junger, aber auch etablierter Künstler*innen bieten. Besonderen Wert legt sie auf interdisziplinäre Projekte, plant Lesungen, Theaterstücke und Tanzaufführungen zu realisieren. Das passt gut, kommt die britisch-deutsche Regisseurin selbst aus dem Theaterbereich. 2021 stellte sie im Projektraum aus, gab Besucher*innen in pandemischen Zeiten das Gefühl, einem immersiven Theaterstück beizuwohnen. Es folgte mehr multimediale Kunst, die — weniger kommerziell ausgerichtet — das Galerieprogramm ergänzen sollte. 2022 erforschte beispielsweise Navid Razavi, wie sich Materialien in Klänge und diese wiederum in Bilder übersetzen lassen.
Der Raum ist nicht besonders groß, aber die Projekte dürfen auch in den benachbarten Galerieraum ausufern. So erst kürzlich mit der Jubiläumsschau samt Veröffentlichung der achten Ausgabe von grapefruits geschehen, einem Fanzine über Komponist*innen und Klangkünstler*innen. Im Herbst wird eine Schau von Shane Sutton im Kontext von »Ireland’s Future Tradition« folgen.
Projektraum Galerie Seippel, Zeughausstr. 26
Shane Sutton, »Immersion On«, ab 30.8., Mi–Fr 12–18 Uhr, Sa 12–16 Uhr