Slang nach Römerart: Bernadine Evaristo, Foto: Jennie Scott

Triumfeminat in ­Distichen

Bernadine Evaristo versucht, sich das Leben einer Schwarzen Frau im römischen London vorzustellen

Historisches Erzählen begibt sich in große Fallhöhe, denn wie sprechen schon Figuren im römisch kolonisierten London im Jahre 211 n. Chr.?

Bernardine Evaristo, für ihren Roman »Girl, Woman, Other« 2019 mit dem Booker Prize ausgezeichnet, tut nicht so, als wüsste sie es. In ihrem schon 2002 erschienen, aber erst jetzt von Tanja Handels ins Deutsche übersetzten Roman »Zuleika« transponiert sie zeitgenössische Sprachregister und ­Realien in eine rund 2000 Jahre zurückliegende Vergangenheit. Geschichtliche Linearitäten stehen in Frage, gleichzeitig entsteht ein komischer Effekt, man »anverlobt« sich einander, und im nächsten Satz ist dem schlagfertigen ­»It-girl« Zuleika »wumpe«, wie die Eltern dieses und jenes finden.

Die Tochter aus dem heutigen Sudan geflohener Eltern wird elfjährig mit dem römischen Senator Felix verheiratet. Ihm wird Zuleika zur nützlichen rassistischen Projektionsfläche, zunächst vergewaltigt und nach kurzer Ehe ignoriert. Als Zuleika eine Affäre mit Kaiser Septimius Severus beginnt, ein historisch belegter, aus Libyen stammender römischer Kaiser, der am Ende seiner Regentschaft mehrere Feldzüge in Britannien anführte, fordern Neid und Missgunst, die Ablagerungen eines drakonischen antiken Patriarchats, das »Triumfeminat« mit den beiden Freundinnen Alba und Venus heraus.

Das Unerhörte des Romans ist seine Form, ein Epos in Distichen, Verspaaren. Altmodisch, bestenfalls putzig, denkt man, ­bevor man eine Protagonistin, die über weite Strecken der Erzählung Kind ist, den Text auf der Seite plappern hört, in aller Rhythmik, Schematisierung, ­Verzögerung, die die Versifizierung stiftet. Kunstvoll wirken die Enjambements, Zeilensprünge, mikrodramaturgischen Nuancen, »draußen standen/ zwei ­Wachen, unsichtbar und doch// allgegenwärtig, seine Illyrer-­Garde/ hatte mein Haus vollständig eingenommen«.

Hier und da überstrapaziert Evaristo die geschichtlichen ­Verschränkungen, wenn ein Bettler von Bargeld spricht, als gäbe es Kreditkarten, wenn von High Heels und Coffee to go am Bond Court die Rede ist. Dennoch schließt »Zuleika« ein bisher kaum beachtetes Kapitel Schwarzer europäischer Geschichte auf, avanciert in Form und Tonfall, aber höchst unterhaltsam, nicht zuletzt in einem Streifzug durch ein antikes, noch kaum historisch gewachsenes London, »nach ­Notting Hill,// dort, wo der Urwald hin nach Portobello/ abfiel«.

Bernadine Evaristo: »Zuleika«, Tropen, 264 Seiten, 25 Euro