Kulleraugen und Tränen
Der Kurator Kasper König, langjähriger Direktor des Museum Ludwig, hat viele Spuren in Köln hinterlassen — auch bei Grafikerin und Verlegerin Carmen Strzelecki. Gemeinsam haben sie viele Kunstpublikationen realisiert. Hier erinnert sie sich an die Zusammenarbeit mit einem Menschen, der sich selbst nie zu ernst nahm.
In den letzten Tagen habe ich darüber nachgedacht, wie ich einen Nachruf auf und über Kasper König schreiben könnte. Würde ich einen Brief schreiben oder lieber die Anekdoten erzählen, die mich mit ihm verbinden?
Während ich nachdachte, erinnerte ich mich an meine erste Begegnung mit ihm im Rahmen meines zweiten Auftrags im Museum Ludwig. Zusammen mit der Leiterin der Grafischen Sammlung, Julia Friedrich, entwickelte ich eine Heftreihe für die Ankäufe der Sammlung, und eines Tages kam mir König im Museum entgegen. Seine Begrüßung war: »Ach, die mit dem unaussprechlichen Namen und dem Kopfschmerz-Design«. Das hat mich natürlich irritiert, aber auch angespornt: Dem wollte ich es zeigen.
Ein paar Jahre, einen Einsturz des Stadtarchivs und viele lustige Momente später hat er mich zu einem Vortrag in die Kunsthalle Mannheim mitgenommen. Das hat mich sehr berührt, weil ich auf dem Waldhof in Mannheim aufgewachsen bin, und es für mich eine Art Heimatbesuch war. Wir haben uns schon im Zug betrunken und das Bordbistro unsicher gemacht. Im Laufe des Nachmittags sollte Kasper König sogar seine Brille verlieren, was ihn aber nicht weiter störte. In Erinnerung blieb vor allem ein Gespräch über die Mannheimer Vorzeigefrau Joy Fleming und ihre enorme Swarovski-Kristallsammlung. Genauso wie ein nebenbei belauschtes Gespräch von zwei Mannheimerinnen, dessen skurriler Inhalt, gepaart mit dem breiten Dialekt der Frauen, in den nächsten Monaten noch zu einigen Lachern bei ihm und mir führte.
Er ließ einem Raum, wenn man ihn brauchte. Man musste es nur sagen und ihm ohne Angst begegnen Carmen Strzelecki
Es war natürlich nicht immer einfach mit Kasper König, wie ich während der Arbeit an der großen Franz-West-Retrospektive im Jahr 2010 feststellen musste: Es gab damals einen Moment, in dem wir nicht mehr weiterkamen und kurz davor waren, uns in die Wolle zu bekommen. Ich sagte, dass das so nicht weitergehe — zum Runterkommen setzten wir uns an einen Computer und ich zeigte ihm die alte, super ulkige RTL-Sendung »Alles Nichts Oder?!« auf Youtube. Zu Gast war, wie könnte es anders sein, Joy Fleming — wir lachten und machten danach fröhlich weiter.
Das Arbeiten auf Augenhöhe, auch wenn das wie eine Phrase klingt, habe ich geschätzt. Das konnte Kasper König sehr gut. Er konnte wahnsinnig anstrengend sein, aber er gab an anderer Stelle dafür Wärme und Offenheit zurückWas man schon gesehen hatte, mit wem man schon gesprochen hatte, welche Beziehungen man hatte — das war für Kasper König nicht wichtig. Wichtiger war, dass man Interesse und Neugier zeigte, dass man für etwas brannte. Das war eine der wichtigsten Währungen im Gespräch mit ihm. Er ließ einem Raum, wenn man ihn brauchte. Man musste es nur sagen und ihm ohne Angst begegnen.
Nach seinem Ausscheiden am Museum Ludwig haben wir an Publikationen für meinen Verlag zusammengearbeitet. Nach der Publikation »BEST KUNST« haben wir einen Postkartenkalender gemacht. Kasper König bastelte immer diese Postkarten, die ich — und viele andere — regelmäßig bekamen. Mir am liebsten waren jene, auf denen er Kulleraugen collagiert hatte. Dieser Humor, diese Absurdität, und seine Art, sich selbst nicht ernst zu nehmen — das hat mir immer sehr gefallen. In seiner Berliner Wohnung hatte er eine »Postkartenküche« eingerichtet, in der er hunderte dieser gebastelten Postkarten sammelte. Ich schlug vor, dass wir seine Postkarten als Kalender für die Öffentlichkeit herausgeben sollten — die musste man einfach zeigen. Und es wollten eben auch Menschen sehen. Nach einer Bedenkphase stimmte er meinem Vorschlag zu und wir brachten den Kalender heraus. Wir haben viele Exemplare verkauft und eine Edition herausgebracht, deren Erlöse — das war ihm sehr wichtig — an KARUNA Kinder und Jugendliche in Not Int. e. V. gingen.
Wenn ich also einen Nachruf auf Kasper König schreiben müsste, dann wäre dieser eine Postkarte — mit Kulleraugen und nun auch mit Tränen.