»Ungeheuerliche Szenen«
Das neue Schuljahr hat gerade begonnen — und für die knapp 2000 Schüler der fünf Schulen am Standort Am Wassermann in Vogelsang beginnt es im allmorgendlichen Verkehrschaos. Auf dem schmalen Girlitzweg quälen sich die überfüllten Busse der KVB und Baufahrzeuge durch den Berufsverkehr, dazwischen radeln todesmutige Schüler mal auf der Straße, mal auf dem ebenfalls schmalen und mit Autos zugeparkten Gehweg. Und in der dicht befahrenen Unterführung an der S-Bahn-Haltestelle Technologiepark Müngersdorf, wo Kinder in die Busse umsteigen, queren sie die Straße ohne jeden Zebrastreifen oder sonstige Querungshilfe. »Hier spielen sich jeden Morgen ungeheuerliche Szenen ab«, sagt Eva Engelhardt, deren Kinder die Heliosschule besuchen. »Dass Eltern ihre Kinder bis vors Schultor chauffieren, kann man ihnen in dieser Lage nicht verdenken.« Sie fordert die Stadt auf, den Schulweg unverzüglich sicherer zu gestalten: »Hier ist Gefahr im Verzug!«
Wenn in den vergangenen Jahren mal wieder händeringend Flächen für die dringend benötigten Schulplätze gesucht wurden, wich die Stadt immer wieder auf das Wassermann-Areal aus, nutzte teils auch Bürogebäude für den Schulbetrieb. Nun befinden sich im Gewerbegebiet, das nach dem dort ansässigen Bauunternehmen Friedrich Wassermann benannt ist, neben der Gesamtschule Wasseramselweg und dem Ausweichstandort der Heliosschule seit August auch die Gesamtschule Am Wassermann sowie die Gesamtschule Fitzmauriceschule — letztere soll 2026 nach Ossendorf ziehen. Außerdem hat die private Aktive Schule ihren Sitz am Wasseramselweg.
Schon im Juli — bevor die beiden neuen Schulen an den Start gingen — hielten Schüler der Heliosschule die morgendlichen Schulwegszenen in einem Video fest und wandten sich damit hilfesuchend an die Öffentlichkeit. Die Stadt Köln hat inzwischen reagiert: Über die Sommerferien wurde ein Kreisverkehr an der Kreuzung Am Wassermann und Wasseramselweg sowie zwei Fußgängerüberwege am Girlitzweg angelegt; dort markierte man außerdem Parkplätze, um das Parken auf dem Gehweg zu unterbinden und den Verkehr zu verlangsamen. Von dieser Maßnahme sind nicht alle überzeugt: »Um die parkenden Autos zu umfahren, müssen die Radfahrer ja in den Gegenverkehr oder auf den Bürgersteig ausweichen«, so Andreas Niessen, Leiter der Heliosschule. Er wünscht sich radikalere Lösungen: etwa, den Girlitzweg morgens zur Fahrradstraße zu deklarieren.
Eine echte Verbesserung erhofft man sich in den Schulen von einem neuen Geh- und Radweg, den die Stadt parallel zum Girlitzweg auf der Trasse des Teichrohrsängerwegs plant. Sie plant schon lange, doch wann er fertig wird, ist offen — »voraussichtlich im Laufe des Schuljahres«, so eine Stadtsprecherin. Hier hatte die Vorsitzende der Schulpflegschaft, Nathalie Binz, schon vor einem Jahr im Schulausschuss mehr Tempo gefordert: »Wenn auf einmal ein Gebäude zur Schule deklariert wird, müssen sich doch die zuständigen Ämter darum kümmern, dass der Schulweg sicher ist«, sagt Binz.
Anna Genser, neue ehrenamtliche Fahrradbürgermeisterin Kölns, fordert Schulwegkonzepte für alle Kölner Schulen: »Durch die Schulplatzlotterie werden den Kindern oft Plätze an weit entfernten Schulen zugewiesen. Für den Weg dorthin gibt es aber kein Konzept und oft nur eine schlechte Radinfrastruktur.« Ziel müsse die selbständige Mobilität von Kindern sein, so Genser. Dafür müsse der Verkehr aus den Augen und der Körpergröße der Kinder betrachtet werden — ein Ideal, von dem Köln denkbar weit entfernt ist. Doch es gebe auch Maßnahmen, die günstig und schnell umsetzbar seien, sagt Genser. Etwa, am Wassermann für eine halbe Stunde am Morgen eine Schulstraße einzurichten, also die Straße für den Autoverkehr zu sperren. Oder die Eltern dabei zu unterstützen, so genannte Fahrradbusse zu organisieren, bei denen Kinder in der Gruppe und in Begleitung einiger Eltern fahren. Auf diese Weise wollen einige Schüler der Gesamtschule Fitzmauricestraße nun täglich von Ossendorf nach Vogelsang kommen.