Zwei alte Seelen: Salenta + Topu

Grobkörniges Cello

Salenta + Topu zeigen mit ihrer versponnenen Musik, dass sie ein eigen­sinniges Duo sind

Die popmusikalische Geschichte ist von legendären Duos gepflastert: Simon & Garfunkel, Hall & Oates, Eurythmics, Modern Talking —  die Liste ist lang. Das wunderbare an dieser Liste ist, dass sie immer wieder neue Einträge erhält. Salenta + Topu ist  einer ­davon. Wer die somnambule Wohnzimmer-Musik des New ­Yorker Duos erstmalig hört, wird gleich erkennen, dass es sich bei Salenta Baisden und Topu Lyo um ein ganz besonderes Exemplar der Zwei-Köpfe-Bands handelt. Der Opener ihres 2021 veröffentlichten Albums »Moon Set, Moon Rise« (Bandcamp) fasziniert von der ersten Sekunde an: Grob­körnig windet sich eine ostinate Figur durch die Zeit. Mit minimalen Varia­tionen spielt sich Salenta in eine Klavierfingerübung, die ihre ­Ähnlichkeit zu Erik Satie nicht verschleiern will. Ihr Partner Topu zupft dazu das Cello, bietet die rhythmische Struktur des Stücks »Cliff By The Sea«. Was dem Titel nach also eine Landschaftsaufnahme ist, könnte genauso gut der Soundtrack eines Sonntagmorgens mit der Liebe des Lebens sein. Ob nun Meeresrauschen oder Zweisamkeit in den ersten Sonnenstrahlen des Tages: Salenta + Topu spielen Musik, die Erinnerungen zum Leben erweckt.

Warum das so ist, wissen die beiden Musiker*innen selbst nicht: »Wir sind beeinflusst von der Sample-Musik. Von 404 und MPC (zwei bekannte Sampler von Roland und Akai, Anm. d. Aut.) — vielleicht hat das etwas damit zu tun«, mutmaßen die beiden im Gespräch. So sehr sie von Instrumental-HipHop auch beeinflusst sind, nimmt ihre Ausbildung eher klassische Züge an. Salenta stammt aus Los Angeles, ihre Familie macht seit jeher Musik. Ihr Vater war der Trompeter Bernard Baisden, hat mit Chaka Khan, Marvin Gay und der Gap Band gespielt und getourt; ihr Bruder ist Produzent und Trompeter. Topus Mutter wollte ihn und seine Brüder in ­einem Piano-Trio sehen und schickte die drei schon früh zu Musikstunden. Seine Schwester zeigte ihm irgendwann die Werke von Schostakowitsch, was ihn ­bewog, ans Cello zu wechseln; welches er schon zu High School-Zeiten aus seinem klassischen Korsett befreite und mit Gitarreneffekten koppelte. Das erklärt dennoch nicht, warum ihr Album, das anfänglich nur auf Kassette zu erhalten war und erst 2023 seinen Weg auf Vinyl fand, auf bezaubernde Art aus der Zeit gefallen klingt. Sie wagen einen weiteren Erklärungsversuch: »Wir sind zwei alte Seelen.« Das hingegen ergibt durchaus Sinn: »Jour de Pluie« hat etwas von einem Traditional, klingt wie melancholische Zwischenspiele eines Pianisten im Saloon. Einige Stücke scheinen von den sanften Balladen einer Alice Coltrane inspiriert, andere wiederum von japanischer Umweltmusik, kankyo ongaku genannt. Salenta spielte für die Aufnahmen, die über den Zeitraum eines Jahres entstanden — und nochmal weitere 13 Monate vom Duo selbst abgemischt wurden — ein altes verstimmtes Spinett, das, so Salenta, eine mikrotonale Qualität erhalten hat: »Es klingt ostasiatisch. Das hat uns gefallen. Topu hat daraufhin die Stimmung des Cellos angepasst.« Zwei Seelen auf zwei verstimmten Instrumenten? Womöglich ist die Formel für diese etwas unheimliche Musik tatsächlich so einfach, wenngleich noch einiges mehr zum Phänomen Salenta + Topu gehört.

Nachdem sich beide bei einem Freund auf einer Party erstmalig trafen (Topu: »Salenta legte auf, aber ganz anders als ich das bis dahin kannte — besser irgendwie.«), verabredete man sich kurzerhand zu einer gemeinsamen Session. Sie verstanden sich gleich, hegten und pflegten dieselben Widerstände gegen Klischee-Jazz und allzu genügsame Improvisationsmusik. Salenta betont, dass für sie beide gilt: Technische Exzellenz darf stets nur ein Vehikel zu etwas Neuem sein. Entsprechend gab es zu den Stücken keine Vorgaben, keine vorher lange geplanten Ideen, sondern immer nur einen Startpunkt, von dem aus improvisiert wurde. Das Einfache immer im Auge behaltend.

Dieses schlichte Vorgehen hat in der Zwischenzeit eine größere Anhängerschaft erreicht und führt die beiden im September erstmalig nach Europa. In Köln wollen sie am 12. September im King Georg Musik spielen — nicht unbedingt jene des Albums: »Wir können das eigentlich nicht nachstellen. Aber wir wollen den Spirit der Musik auf die Bühne bringen.« Salenta + Topu: ein eigensinniges Duo.

 

Do 12.9., King Georg 19.30 Uhr