Meistercharge trifft Piercing-Pionier
Kaum sind die Sommerferien vorbei, blüht das lokale Kinoprogramm wieder auf. So erfreut das Afrika Filmfestival (siehe auch S. 44) mit einer Vorführung von Sarah Maldorors Fernsehspiel »Un dessert pour Constance« (1981) sowie einer Präsentation von »Xime« (1994), dem Erstling von Sana Na N’Hada, einer Vaterfigur des Kinos in Guinea-Bissau, dessen Befreiungskampf in sämtlichen seiner Filme eine Rolle spielt. Diese Perlen bekommt man nicht so schnell wieder zu sehen.
Erfreulich sind auch Filme des viel zu wenig gewürdigten britischen Meisters Tony Palmer, selbst wenn es sich um den film maudit seines Schaffens handelt: das Leonard-Cohen-Portrait »Bird on a Wire« (1974), welches das Archiv Schönecker in seiner Erstaufführungsversion präsentiert, die eigentlich nicht mehr gezeigt wird, seit Palmer 2012 seine Urfassung veröffentlichen konnte.
Historisches in neuem, digitalen Gewand gibt es im Japanischen Kulturinstitut zu sehen: versammelt unter dem Genrebegriff jidaigeki — was man ungefähr mit Samuraifilm übersetzen kann. Besonders berauschend sind Kinji Fukasakus knalliger Ninja-Paranoia-Noir »Shogun’s Samurai« (1978) und Masahiro Shinodas elegisch-eleganter »Gonza the Spearman« (1986).
Wohl dem Zufall gedankt sind parallele Ehrungen von Helke Sander (Filmhaus) und Monika Treut (Lichtspiele Kalk), zwei sehr unterschiedliche Schlüsselfiguren des bundesdeutschen Frauenfilms der 70er und 80er Jahre. Erstere kommt sogar persönlich zum Programm bestehend aus dem Dokumentarfilm »Helke Sander: Aufräumen« (2023) und dem kürzlich restaurierten Fernsehessay »Die Deutschen und ihre Männer — Bericht aus Bonn« (1989), der die Machtwelt der alten BRD in ihren letzten Zügen aufspießt.
Von Monika Treut, wird die S/M-Erotikcollage »Verführung: Die grausame Frau« (1985) zu sehen sein; die verque(e)re Begehrens-Odyssee »Die Jungfrauenmaschine« (1988), deren San Francisco-Teil einem heute die Tränen in die Augen treibt, und schließlich die Körperselbsterfahrungs-Komödie »My Father is Coming« (1991), in dem Meistercharge Alfred Edel unter anderem Piercing-Pionier Roland Loomis aka Fakir Musafar und Pornokaiserin Annie Sprinkle trifft.
Infos:
afrikafilmfestivalkoeln.de
filmarchiv-schoenecker.de
jki.de
filmhaus-koeln.de
lichtspiele-kalk.de